TIPPS UND INFOS
Winterdienst auf Radwegen
Text: Annika Platt | Foto (Header): © vladuzn – stock.adobe.com
Der Radverkehr soll ganzjährig etabliert werden. Damit ergeben sich auch für die Bauhöfe neue Herausforderungen. Insbesondere der Winterdienst auf Radwegen spielt dabei eine wichtige Rolle.
Auszug aus:
der bauhofLeiter
Ausgabe August 2019
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Der Radverkehr wird auf dem Weg zu klimafreundlicheren Städten immer wichtiger. Deshalb hat er als Teil eines modernen Verkehrssystems für den Bund einen hohen Stellenwert: Der Nationale Radverkehrsplan sieht vor, dass der Fahrradanteil am Gesamtverkehr bis 2020 auf 15 % steigt. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Menschen ihr Rad auch im Winter als Verkehrsmittel nutzen. Bisher sind jedoch nur 23 % der deutschen Radfahrenden ganzjährig mit City- oder Mountainbike unterwegs. Zum Vergleich: In Fahrradstädten wie Amsterdam oder Kopenhagen liegt der Anteil an Winter-Radfahrenden bei 80–85 %.
Laut einer Wiener Umfrage sind die Angst vor Unfällen, die Kälte sowie das mühsame Vorankommen aufgrund mangelnder Schneeräumung die größten Hürden für die Menschen. Auf die Frage, was passieren müsste, damit auch in der kalten Jahreszeit das Fahrrad als Verkehrsmittel genutzt werden würde, antworten 25 % der Befragten, dass die Schneeräumung besser werden müsse. Wenn das Rad also auch in der kalten Jahreszeit eingesetzt werden soll, muss ein sicheres und schnelles Vorankommen garantiert sein.
Wo liegen die Prioritäten?
Zwar hat sich in den letzten Jahren der Winterdienst auf Radwegen deutlich verbessert, trotzdem werden diese in einigen Städten zuletzt geräumt und zum Teil als nicht so wichtig eingestuft. Doch um das Fahrrad als ganzjähriges Verkehrsmittel zu etablieren, ist es unabdingbar, dem Radverkehr beim Winterdienst eine ebenso hohe Aufmerksamkeit wie dem Kfz-Verkehr zu schenken. Dazu gehört auch die Erarbeitung eines Winterdienstnetzes für den Radverkehr und die Abstimmung mit Fahrradverbänden.
Die Beispiele aus anderen europäischen Städten zeigen, dass die Menschen durchaus bereit sind, das ganze Jahr über Rad zu fahren, wenn die Bedingungen gut sind. In Kopenhagen werden Radwege sogar zum Teil vor den Kfz-Fahrbahnen vom Schnee befreit und die Prioritäten damit umgedreht. Dies gehört zum Plan der dänischen Hauptstadt, bis 2025 CO2-neutral zu sein. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) ist dafür, dies auch in Deutschland so zu handhaben und fordert zudem, die im Winterdienst zu betreuenden Radwege nach Dringlichkeitsstufen einzuteilen und den Schnee möglichst vollständig von Radwegen oder von den vom Radverkehr genutzten Straßen zu entfernen.
Wie ist die rechtliche Lage?
Die Winterdienstpflicht auf deutschen Radwegen entspricht der auf den Straßen, da die Radwege rechtlich als Fahrbahnen gelten. Wenn es um öffentliche Radwege geht, können Bundesländer, Landkreise, Städte oder Kommunen für den Winterdienst verantwortlich sein. Diese wiederum dürfen private Firmen mit der Räumung beauftragen. Sind die Radwege mit einem öffentlichen Fußweg kombiniert, ist der Winterdienst meist Aufgabe der Anlieger.
Wie schnell die Radwege in den Ortschaften von Schnee und Eis befreit werden, hängt von ihrer Verkehrsfunktion ab: Die wichtigsten Strecken müssen zu Beginn des Berufsverkehrs geräumt werden – dazu zählen das Hauptradwegenetz, Radschnellwege oder überörtliche Alltagsverbindungen. Die Räumpflicht endet mit dem Ende des allgemeinen Tagesverkehrs, meistens gegen 20 Uhr.
Eine Streupflicht besteht auf gefährlichen Abschnitten, wie z. B. Steigungen, engen Kurven und Kreuzungen. Dabei ist der Streustoff rechtlich nicht vorgeschrieben, er muss lediglich unter den herrschenden Rahmenbedingungen geeignet und wirksam sein. Keinesfalls dürfen Radwege mit Schnee zugeschoben sein oder als Schneeablagefläche dienen.
Prinzipiell gilt, dass Radfahrende wie alle anderen Verkehrsteilnehmenden ihre Fahrweise den winterlichen Verhältnissen anpassen müssen. Wenn Radwege nicht gestreut oder geräumt sind, wird die Radwegebenutzungspflicht aufgehoben. In diesem Fall dürfen Radfahrende auf die Straße ausweichen. Auf Gehwegen darf nur gefahren werden, wenn diese durch ein Zusatzschild freigegeben sind.
Welche Techniken werden eingesetzt?
Bei Schneelage werden die Radwege meist maschinell geräumt. Der Winterdienst erfolgt mit speziellen Schmalspurfahrzeugen, da herkömmliche Räumfahrzeuge aufgrund ihrer Breite nicht auf Radwege passen und oft auch zu schwer für diese sind. Laut der deutschen Straßenverkehrsordnung dürfen Radwege nur mit Fahrzeugen unter 3,5 t Gesamtgewicht befahren werden. Deshalb werden i. d. R. multifunktionale Schmalspurgeräte verwendet, die im Sommer für andere Dinge wie Kehren oder Mähen eingesetzt werden können.
Aufgrund der langsameren Geschwindigkeit der Räumfahrzeuge auf Radwegen ist eine intensive Reinigung gut zu bewerkstelligen, z. B. durch den Einsatz von Kehrbesen statt des Schneepflugs. Die mechanische Räumung ist so effektiv, dass oftmals kein zusätzliches Streugut eingesetzt werden muss oder nur geringe Mengen nötig sind. Dabei ist die Wahl des richtigen Mittels entscheidend:
Abstumpfende Streustoffe wie Splitt oder Granulat haben aufgrund der schmalen Radreifen nur sehr geringe Wirkung, insbesondere bei Reif- und Eisglätte. Außerdem besteht die Gefahr des Wegrutschens oder der Beschädigung der Reifen durch spitze und scharfe Kanten.
„Der Einsatz abstumpfender Stoffe auf Radwegen ist völlig verfehlt“, so Dr. Horst Hanke, Ltd. Ministerialrat im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr Saarbrücken sowie Vorsitzender des Fachausschusses Winterdienst des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Seine Meinung ist klar: „Der geeignetste Streustoff für Radwege ist Kochsalz (Natriumchlorid). In Fällen von Reifglätte, leichter Eisglätte sowie besenrein geräumter Oberflächen ist hierbei der Einsatz von Salzlösung (Sole) bei Temperaturen bis – 6 °C die optimale Lösung. In allen anderen Fällen wäre Feuchtsalz (FS 30) zu verwenden.“
Welche Vorteile bietet der Einsatz von Sole?
Der Einsatz von reiner Sole (FS 100) auf Radwegen, die mithilfe eines Sprühbalkens am Einsatzfahrzeug randscharf ausgebracht wird, etabliert sich derzeit in immer mehr deutschen Städten. Durch den geringeren Salzgehalt schont Sole die Umwelt. Sie wird nicht verweht, sorgt für ein gutes Streubild und muss nicht wieder aufgekehrt oder recycelt werden. „Man erreicht eine flächige, schnellere und effektivere Tauwirkung und kann das Gefrieren vorhandener Feuchtigkeit verhindern“, so Hanke.
Nach einem Testbericht des Zweckverbands Abfallwirtschaft Region Hannover (aha) erweist sich das Ausbringen von 30 ml Sole pro qm als optimale Streumenge. Umgerechnet in Trockensalz bedeutet das: 30 ml Sole entsprechen einem Salzeinsatz von 6,6 g je qm.
Der Salzverbrauch mit Sole liegt in Hannover deutlich unter dem der für den Test genutzten Referenzstrecke, die mit Trockensalz gestreut wurde. Bei dieser konnte nur mit mindestens 20 g Trockensalz eine vergleichbare Verkehrssicherheit erzielt werden. Nach Auswertung der aha entspricht dies einer Einsparung von rund 67 %. Da beim Streuen mit Sole also eine viel geringere Menge an Streumitteln benötigt wird, erhöht sich somit auch die Reichweite, die ein Einsatzfahrzeug mit vollem Behälter schafft.
Fazit: Solesprühen ist sparsam, effektiv, wirtschaftlich und umweltgerecht. Experten sehen darin große Chancen, auch wenn diese Technologie einen deutlich veränderten Organisations-, Personal- und Technikeinsatz erfordert.
In Zukunft beheizbare Radwege?
Im November 2018 wurde in Erftstadt bei Köln der erste Solar-Radweg Deutschlands eröffnet. Die Teststrecke ist 90 m lang und besteht aus 150 dunkelblauen Solarmodulen, die pro Jahr 16.000 kWh ins örtliche Stromnetz einspeisen sollen. Der rutschfeste Belag kann aber nicht nur Energie erzeugen, sondern auch Schnee und Eis abtauen – ein Winterdienst ist damit nicht mehr notwendig. Erftstadt hatte sich mit einem aufwendigen Radwegkonzept beim Bund beworben und Förderung für die Photovoltaikanlage erhalten. Jetzt muss sich zeigen, wie sich die robusten Module unter Umwelteinflüssen verhalten und ob die Technologie zukünftig auch für andere deutsche Städte in Betracht kommt.
„Grundsätzlich ist das eine gute Lösung“, sagt Hanke. „Allerdings ist sie sehr aufwendig und teuer und scheidet schon alleine deswegen flächendeckend bzw. netzweit aus. Zudem ist sie ökologisch nur dann besser, wenn sie nicht mit Strom und immensem Energiebedarf erfolgt, sondern nur mit Geothermie. Zu beachten ist, dass mit Beheizung nur leichte Glätte im Bereich knapp unter 0 °C verhindert werden kann.“ Dicke Eisschichten und v. a. Schnee werden in naher Zukunft wohl auch weiterhin herkömmlich bekämpft werden müssen.
Der Autor
Annika Platt
Akademie für Kommunalfahrzeugtechnik