HAFTUNG UND RECHT
Wie sicher müssen öffentliche Spielplätze sein?
Text: Kerstin Rügge | Foto (Header): © fohenze – stock.adobe.com
Nicht immer sind Schäden an Spielgeräten so offensichtlich wie auf dem obigen Foto. Und in der Regel müssen Gerichte entscheiden, ob eine Verletzung nicht doch eher auf menschliches Ungeschick zurückgeführt werden muss.
Auszug aus:
der bauhofLeiter
Ausgabe April 2022
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So sind Spielgeräte auf ihre Standfestigkeit und Schäden, wie etwa Splitter oder Nägel, in regelmäßigen wöchentlichen Abständen zu kontrollieren. Die europäische Norm DIN EN 1176 definiert, wie eine qualifizierte Spielplatzkontrolle auszusehen hat.
Von den Gerichten werden an die Verkehrssicherungspflicht der Kommunen auf öffentlichen Spielplätzen hohe Anforderungen gestellt. Die Besucher eines Spielplatzes müssen vor Gefahren geschützt werden, die über das übliche Risiko bei einer sogenannten bestimmungsgemäßen oder nicht ganz fernliegenden bestimmungswidrigen Nutzung der Spielgeräte hinausgehen und für die Besucher nicht ohne Weiteres erkennbar sind. Bei einem Spielplatz muss besonders berücksichtigt werden, dass Kinder Gefahren nicht wie Erwachsene erkennen. Das Maß der Sicherheit muss sich am Alter der jüngsten Kinder ausrichten, die für die Nutzung der Spielgeräte infrage kommen.
Aber die Kommune ist nicht für die Beseitigung jeglicher Gefahrenquellen auf einem Spielpatz verantwortlich. So scheiterte eine erwachsene Spielplatz-Besucherin, die auf einem öffentlichen Spielplatz ein Klettergerüst mit einer frei drehbaren Querstange bestieg, dabei stürzte und sich verletzte, mit ihrer Klage auf Schadensersatz gegenüber der Kommune vor dem Oberlandesgericht Naumburg (Aktenzeichen 10 U 1/13). Laut Gericht geht die Verkehrssicherungspflicht der Kommune auf Spielplätzen nicht soweit, dass auch Erwachsene vor jedem möglichen Schaden bei der Nutzung von Spielgeräten geschützt werden müssen. Durch die frei bewegliche Querstange am Klettergerüst sei keine besondere Gefahrensituation geschaffen worden. Die drehbare Querstange lasse sich mit losen Seilen oder wackelnden Brettern vergleichen, die auf einem Spielplatz pädagogisch sinnvoll eingesetzt werden. Der verunglückten Spielplatz-Besucherin sei zudem ein hohes Maß an Mitverschulden an ihrem Sturz zuzusprechen. Sie hätte mit Besonderheiten am Klettergerüst rechnen und sich vorsichtig bewegen müssen.
Hat die Kommune an einem Klettergerüst für ausreichenden Fallschutz gesorgt, haftet sie nicht für den Sturz eines Kindes. Dies stellt das Landgericht Koblenz (Aktenzeichen 1 O 135/18) im Fall eines achtjährigen Kindes klar, das von einem 2,40 m hohen Hangelgerüst stürzte und sich den Arm brach. Ob ein Fallschutz ausreichend ist, bestimmt sich nach der Fallhöhe eines Spielgeräts. Im zu entscheidenden Fall handelte es sich bei einer bestimmungsgemäßen Nutzung des Hangelgerüsts um eine Fallhöhe von 80 cm. Da ist laut Gericht ein Naturboden aus Rasen oder Sand als Fallschutz ausreichend. Für den Fall, dass das Hangelgerüst bestimmungswidrig genutzt wird, indem ein Kind auf das Gerüst klettert und versucht, es aufrecht zu überqueren, ist eine Sandschicht von mindestens 30 cm als Fallschutz notwendig, die hier vorhanden war.
Baumschutzmatten aus Bambus stellten einen geeigneten Fallschutz dar, entschied das Landgericht Stuttgart (Aktenzeichen 15 O 228/08) und wies die Klage eines Kindes auf Schmerzensgeld ab, das sich bei einem Sturz von einer Schaukel an einem mit Bambusmatten ummantelten Baum das Gesicht verletzt hatte.
Mit einer Rutsche, die auf einem Asphaltbeton-Bodenbelag aufgestellt war und an den seitlichen Holmen keine ausreichende Absturzsicherung für kleinere Kinder besaß, verletzte die Kommune aber ihre Verkehrssicherungspflicht. Dies stellt der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VI ZR 190/87) in einer frühen Entscheidung klar. Auf besondere Sicherungsmaßnahmen hätte die Kommune nur bei verhältnismäßig niedrigen Spielgeräten verzichten dürfen. Bei dieser Konstellation wäre ein aufprallhemmender Unterboden als Fallschutz notwendig gewesen.
Verletzt sich ein Besucher eines öffentlichen Bolzplatzes an einer maroden Zaunanlage, haftet dafür die Kommune, entschied das Thüringer Oberlandesgericht (Aktenzeichen 4 U 594/09). Die Gemeinde habe als Betreiberin des Bolzplatzes für einen gefahrlosen Zustand zu sorgen und alle technisch und wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen auszuschöpfen, um den Benutzern den höchstmöglichen Sicherheitsstandard zu bieten. Dafür reiche weder eine Kontrolle in Intervallen von vier bis sechs Wochen noch das Ausbessern einzelner Schäden am Zaun. Wenn es der Kommune aufgrund der Haushaltslage nicht möglich war, die Zaunanlage in einen gefahrlosen Zustand zu bringen, hätte der Zaun insgesamt entfernt oder der Bolzplatz geschlossen werden müssen.
Auch für die Verletzung eines Kindes durch umkippende Fußballtore auf einem öffentlichen Spiel- und Bolzplatz muss die Kommune haften, entschied das Oberlandesgericht Schleswig (Aktenzeichen 11 U 71/10). Die Kommune müsse dafür sorgen, dass die Fußballtore ausreichend gegen ein Umkippen gesichert sind. In der Vergangenheit waren die Fußballtore öfters von Bauhof-Mitarbeitern ungesichert vorgefunden worden, weil vermutlich Jugendliche die spiralförmigen Sicherungen an den Toren entfernt hatten. Die Kommune hätte sich mit diesem Wissen um eine dauerhafte Sicherung der Fußballtore kümmern müssen.
Kommt ein Kind auf einem Balancierbalken zu Fall, weil sich ein als Hilfsmittel angebrachtes Seil löste, muss dafür die Kommune geradestehen, entschied das Landgericht Detmold (Aktenzeichen 12 O 227/08). Zwar habe eine ausreichende Kontrolle des Spielplatzes durch die Kommune stattgefunden, aber sie habe keine Vorkehrungen getroffen, dass das Seil am Balancierbalken unbefugt von Dritten gelöst werden konnte. Indem sie es unterließ, festverankerte Schrauben zur Befestigung des Seiles zu verwenden, hat die Kommune laut Gericht ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Weitere Urteile
Baumschnitt ohne Dienstauftrag während der Arbeitszeit – fristlose Kündigung!
Grundstückseigentümer fühlen sich oft von Bäumen im öffentlichen Raum gestört, weil diese ihr Grundstück verschatten, ihnen den Blick versperren oder einfach zu viel Laub abwerfen. Wenn dann die Grünpflegekolonnen der Kommune vor Ort ihre Baumpflegemaßnahmen durchführen, werden sie nicht selten mit den Wünschen der Grundstückseigentümer nach Rückschnitt der öffentlichen Bäume oder gar einer Baumfällung konfrontiert. Doch aufgepasst: Ein Baumschnitt während der Arbeitszeit ohne dienstlichen Auftrag kann zu einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.
Dies mussten zwei langjährig Beschäftigte einer kommunalen Grünpflegekolonne erfahren, die während ihrer Arbeitszeit ohne einen dienstlichen Auftrag Bäume beschnitten und dafür Geld von den Grundstückeigentümern erhielten. Das Arbeitsgericht Mönchengladbach (Aktenzeichen 3 Ca 3495/11 und 3 Ca 3566/11) hielt ihre fristlose Kündigung für rechtmäßig. Die beiden Beschäftigten hatten von zwei Grundstückseigentümerinnen insgesamt 300 Euro für den Rückschnitt von vier „störenden“ Bäumen erhalten. Sie führten die „privaten“ Baumarbeiten aber nicht vollständig und wie besprochen durch, weshalb sich eine Grundstückseigentümerin bei der Kommune beschwerte und der private Baumdienst aufflog. Die beiden Arbeitnehmer gaben an, dass sie kein Geld für den Baumschnitt gefordert hätten. Das Geld sei ihnen aus Dankbarkeit von den Grundstückseigentümerinnen gegeben worden und sie hätten es nicht für sich behalten, sondern in die Kaffeekasse der Grünpflegekolonne gegeben. Für das Arbeitsgericht Mönchengladbach war es unerheblich, ob sie das Geld behalten oder der Kaffeekasse zuführten: Ein Baumschnitt ohne dienstlichen Auftrag während der Arbeitszeit, für den ein finanzieller Vorteil angenommen wurde, reicht laut Gericht als Grund für eine außerordentliche Kündigung aus.
Wann haftet die Kommune für Unfälle auf dem Radweg?
Auf Radwegen muss die Kommune als Straßenbaulastträger, ebenso wie bei Straßen, für eine angemessene Verkehrssicherheit und Befahrbarkeit sorgen. Verunfallt ein Fahrradfahrer auf einem Radweg, weil sich dieser in einem schlechten Zustand befand, führt dies aber längst nicht in jedem Fall zu einer Haftung der Kommune, wie folgende Gerichtsurteile zeigen:
So scheiterte ein Rennradfahrer, der mit einer Geschwindigkeit von 20–30 km/h innerorts über eine geteerte Bodenschwelle stürzte und sich dabei sein rechtes Schlüsselbein brach, mit seiner Klage auf Schadensersatz gegenüber der Kommune vor dem Landgericht Köln (Aktenzeichen 5 O 86/21). Laut Gericht waren Unebenheiten und Schäden auf dem Radweg für den Fahrradfahrer gut erkennbar. Aus diesem Grund musste die Kommune kein Gefahrenschild aufstellen. Der Rennradfahrer hätte im eigenen Interesse seine Geschwindigkeit anpassen müssen. Zudem stelle die gut erkennbare Bodenschwelle keinen ordnungswidrigen Zustand der Straße dar. Es handele sich um einen standardmäßig eingebauten Abfluss zum Abführen von Oberflächenwasser.
Auch das Landgericht Magdeburg (Aktenzeichen 10 O 984/17) stellt klar, dass ein Radfahrer sein Fahrverhalten auf einen erkennbar schlechten Radweg einstellen muss. Kommt es zu einem Sturz eines Radfahrers aufgrund von Weitem erkennbaren Teerrissen und Wölbungen auf dem Radweg, haftet die Kommune nicht. Vor Gefahren warnen müsse die Kommune nur bei gar nicht oder nicht rechtzeitig erkennbaren Schäden.
Kommt es zu einem Radunfall, weil ein Fahrradfahrer bei Dunkelheit trotz eingeschaltetem Fahrradlicht eine Verschwenkung eines Radwegs nicht sah und im Graben landete, löst dies auch keine Haftung der Kommune aus. Das Oberlandesgericht Oldenburg (Aktenzeichen 6 U 189/07) wies die Schmerzensgeldklage des gestürzten Radfahrers ab. Begründung: Für einen Radfahrer mit normaler Geschwindigkeit stelle die wechselseitige Verschwenkung von Radweg und Graben auch bei Dunkelheit mit eingeschalteter Fahrradbeleuchtung keine besondere Gefahr dar, auf die die Kommune mit einem Warnschild hätte hinweisen müssen.
Stürzt ein Radfahrer nachts auf einem Radweg, weil Dritte dort unbefugt eine Bank hingestellt haben, ist dafür nicht der Straßenbaulastträger verantwortlich, entschied das Landgericht Coburg (Aktenzeichen 11 O 77/05). Da dies der erste Vorfall dieser Art war, sei die Kommune nicht zu einer erhöhten Kontrolle des Radwegs verpflichtet gewesen.
Ein Radfahrer, der auf einem Radweg stehenden geleerten Mülltonnen mit einem nicht ausreichenden Seitenabstand auswich und dabei stürzte, geht mit seiner Schadensersatzklage gegen den Abfallentsorger leer aus. Das Landgericht Frankenthal (Aktenzeichen 4 O 25/21) sprach dem Mann ein ganz überwiegendes Mitverschulden an dem Unfall zu, da die Mülltonnen schon von Weitem gut erkennbar gewesen seien. Das Abstellen von Mülltonnen auf einem Radweg sei zwar grundsätzlich eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, da die Mülltonnen als ruhendes Hindernis den Verkehrsfluss erheblich beeinträchtigen. Wenn sie aber für Radfahrer von Weitem gut erkennbar waren, müssen diese mit einem ausreichenden Abstand weiträumig an den Tonnen vorbeifahren. Entscheidet sich ein Radfahrer, ganz knapp an den Mülltonnen vorbeizufahren, ist er für seinen Sturz selbst verantwortlich.