HAFTUNG UND RECHT

Geolokalisierung im Fuhrpark – Eine Frage des Datenschutzes

Text: Lutz D. Fischer | Foto (Header): © Maxim_Kazmin – stock.adobe.com

Die aktuelle Entscheidung des VG Lüneburg zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von GPS-Ortungssystemen in Firmenfahrzeugen ist auch für kommunale Bauhöfe relevant.

Auszug aus:

der bauhofLeiter
Ausgabe Oktober 2019
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Der Einsatz von Globalen Positionsbestimmungssystemen (GPS) im Fuhrpark ist in vielen Arbeitsbereichen praktisch von großem Interesse. Fuhrparkmanager setzen GPS-Ortungssysteme zur Geolokalisierung der Fuhrparkfahrzeuge zu ganz unterschiedlichen Zwecken ein: Zur Routen-, Ladungs- und Mitarbeitersteuerung, zu Controllingzwecken oder auch als Diebstahlschutz. Kommunale und städtische Bauhöfe nutzen GPS-Technik v. a. zur Dokumentation der Streupflicht im Winterdienst. Da eine flächendeckende GPS-Ortung eine dauernde Verhaltens- und Leistungskontrolle der Beschäftigten ermöglicht, ist dies wegen der Gefahr einer Totalüberwachung nicht unbedenklich. Datenschutzrechtlich ist die Geolokalisierung mittels GPS-Ortung aber in engen Grenzen rechtlich zulässig.

 

Aktuelle Entscheidung des VG Lüneburg

Das Verwaltungsgericht Lüneburg hatte sich unlängst mit der Frage zu befassen, ob ein Gebäudereinigungsunternehmen für seinen Fuhrpark ein GPS-Ortungssystem betreiben darf (VG Lüneburg, Teilurteil vom 19.03.2019, Az. 4 A 12/19).

Das verwendete GPS-System war vom Hersteller so ausgelegt, dass es für einen Zeitraum von 150 Tagen ständig jegliche gefahrene Strecke mit Start- und Zielpunkten einschließlich der gefahrenen Zeit und zumindest des Status der Zündung (Ein/Aus) speichert. Eine Taste zum Ein- und Ausschalten des Ortungssystems war nicht vorhanden. Zwischen dem Ende eines Arbeitstags und dem Beginn der Arbeitszeit des Folgetags war eine Deaktivierung nur unter erheblichem Aufwand möglich. Das Ortungssystem erfasst die Kennzeichen der betroffenen Fahrzeuge. Die Fahrzeuge waren dabei den jeweiligen betrieblichen Nutzern zugeordnet. Einige dieser Fahrzeuge wurden auch privat genutzt, wobei die private Nutzung der Firmenfahrzeuge zwar nicht vereinbart war, aber durch die Objektleiter geduldet wurde; der geldwerte Vorteil dafür wurde nach der sog. 1 %-Regelung versteuert.

Der Arbeitgeber war der Meinung, die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten durch die Ortungssysteme während der ordnungsgemäßen betrieblichen Nutzung sei erforderlich für die Tourenplanung und Koordination der Mitarbeiter und Fahrzeuge sowie als Nachweis gegenüber den Auftraggebern, zum Diebstahlschutz und um Wochenendfahrverbote sowie das Verbot von Privatfahrten zu überprüfen. Dies sei überdies durch entsprechende Einwilligungserklärungen der jeweiligen Beschäftigten gedeckt. Die Datenschutzbehörde hielt die Einwilligungserklärungen hingegen für unwirksam, da eine Einwilligung im Arbeitgeber-/Arbeitnehmerverhältnis, sofern die Daten das Arbeitsverhältnis als solches betreffen, grundsätzlich nicht auf einer freien Entscheidung des Arbeitnehmers beruhe.

Anlass für die Untersagungsanordnung der niedersächsischen Datenschutzaufsicht war die Eingabe einer ehemaligen Mitarbeiterin. Mit einer datenschutzrechtlichen Anordnung wurde dem Arbeitgeber aufgegeben, die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Beschäftigungsdaten durch Ortungssysteme so zu gestalten, dass eine personenbezogene Ortung während der ordnungsgemäßen betrieblichen Nutzung der Fahrzeuge nicht erfolgt. Das VG Lüneburg hielt die hiergegen gerichtete Klage für zulässig, aber unbegründet.

 

Aus den Entscheidungsgründen

Das Verwaltungsgericht gab der Datenschutzaufsicht Recht. Es stellte klar, dass die Erhebung und Speicherung von Standort-, Bewegungs- und Zeitdaten der von Beschäftigten betrieblich genutzten Firmenfahrzeuge, die über ein Ortungssystem anfallen, sowie deren Auswertung typischerweise „Verarbeitung“ im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellen. Die Verarbeitung von Positionsdaten der Arbeitnehmer (Objektbetreuer, Reinigungskräfte und Hausmeister) im Rahmen der ordnungsgemäßen betrieblichen Nutzung der Firmenfahrzeuge durch das vom Arbeitgeber eingerichtete Ortungssystem stehe nicht im Einklang mit dem nach § 26 BDSG zu gewährleistenden Beschäftigtendatenschutz, der über die Öffnungsklausel nach Art. 88 Abs. 1 DSGVO zu beachten ist.

Die Verarbeitung betreffe „personenbezogene Daten“, denn nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO fallen darunter alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Vorliegend wurden zwar nur die Fahrzeugkennzeichen erfasst, jedoch war der jeweilige Nutzer über die Zuordnung zum zugeteilten Fahrzeug identifizierbar. Als Erlaubnistatbestand für die Datenverarbeitung lägen weder die Erforderlichkeit für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses (§ 26 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 BDSG) noch eine wirksame Einwilligung (§ 26 Abs. 2 S. 1 BDSG) vor.

 

Erforderlichkeit der Datenverarbeitung

Nach zutreffender Auffassung des Gerichts mangelte es bereits an der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung im Rahmen der ordnungsgemäßen betrieblichen Nutzung der Fahrzeuge für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses. Es sei insbesondere nicht erforderlich, Standort-, Bewegungs- und Zeitdaten der Firmenfahrzeuge ständig zu erfassen und über 150 Tage zu speichern, weil

  • Verstöße gegen arbeitsvertragliche Wochenendfahrverbote oder ein Verbot von Privatfahrten vorliegend geduldet und der geldwerte Vorteil nach der 1 %-Regelung versteuert wurden. Bei geduldeten Privatfahrten bestehe kein pauschales Überwachungsbedürfnis.
  • bei nicht geduldeten Privatfahrten die Anweisung genüge, die Fahrzeugschlüssel am Firmensitz abzugeben und/ oder Fahrtenbücher zu führen.
  • umfassende Ortungsdaten zwecks Diebstahlschutz und Auffinden entwendeter Firmenfahrzeuge nicht erforderlich seien. Ortungssysteme seien zur Diebstahlprävention völlig ungeeignet. Für das Wiederauffinden reiche die anlassbezogene Erhebung bei Feststellung eines Fahrzeugverlusts aus.
  • für die zukunftsorientierte Tourenplanung und die Koordinierung des Mitarbeiter- und Fahrzeugeinsatzes Informationen über aktuelle und vergangene Standorte der Firmenfahrzeuge planungsunerheblich seien. Für eine außerplanmäßig, z. B. infolge von Krankheitsausfällen, Staus und Unfällen, akut werdende zentrale Koordination von Mitarbeitern und Fahrzeugen würde die Erreichbarkeit von Mitarbeitern per Mobiltelefon genügen. Anders als im Transport- und Beförderungsgewerbe seien die im Reinigungsgewerbe zu erledigenden Aufgaben auch bei Akutausfällen nicht zeitkritisch.
  • Ortungsdaten als Nachweis für geleistete Tätigkeiten gegenüber Auftraggebern des Reinigungsunternehmens nicht ausreichend bzw. sogar völlig ungeeignet seien.

 

Einwilligung: freiwillig und informiert

Das Verwaltungsgericht bewertete die Einwilligungserklärungen als unwirksam, weil sie nicht den rechtlichen Anforderungen nach § 26 Abs. 2 BDSG i. V. m. Art. 7 DSGVO genügten. Nach § 26 Abs. 2 S. 1 BDSG ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten zulässig, wenn diese freiwillig in die Datenverarbeitung eingewilligt haben. Die Einwilligung setzt nach § 26 Abs. 2 S. 4 BDSG (i. V. m. Art. 4 Nr. 11 DSGVO) eine informierte Willensbekundung voraus, was erfordert, dass der Arbeitgeber die beschäftigte Person über den Zweck der Datenverarbeitung und über das Widerrufsrecht nach Art. 7 Abs. 3 DSGVO zuvor aufgeklärt hat. Vorliegend hatten nicht alle betroffenen Beschäftigten unmissverständlich eine Einwilligung zum Ausdruck gebracht. Das Gericht bemängelte die fehlende vollständige Aufklärung über den mit der Datenverarbeitung verfolgten Zweck. Die hierzu verwendeten schriftlichen Vereinbarungen erweckten nämlich den Eindruck, dass damit die Beschäftigten lediglich über die technische Ausrüstung der Fahrzeuge mit GPS-Ortungstechnik an sich und über teilweise damit verfolgte Zwecke (Optimierung Objektbetreuung, Ortungsmöglichkeit im Diebstahlsfall) informiert werden sollen. Der nötige Hinweis auf das Widerrufsrecht fehlte gänzlich.

 

Auswirkungen für die Praxis im Bauhof

Datenschutzrechtlich ist der Einsatz von GPS-Ortungssystemen im Beschäftigungsverhältnis nicht grundsätzlich verboten. Bei Beachtung der allgemeinen Grundsätze in Art. 5 DSGVO kann die GPS-Ortung gerechtfertigt sein. Der kommunale Winterdienst beinhaltet alle Arbeiten zur Herstellung der Verkehrssicherheit auf den kommunalen Straßen, Gehwegen und öffentlichen Flächen nach den lokalen zeitlichen Vorgaben der Gemeinde. Im Gegensatz zu „privat“ beauftragten Hausmeisterdiensten erfüllen kommunale Bauhöfe bei Räum- und Streupflichten neben der allgemeinen zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht zugleich gesetzliche Aufgaben des Trägers der Straßenbaulast im Rahmen der Straßenreinigungspflichten der Straßen- und Wegegesetze der Bundesländer. Nach der DSGVO stellen die Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen (Art. 6 Abs. 1c) sowie die Wahrnehmung von Aufgaben im öffentlichen Interesse (Art. 6 Abs. 1e) aber Rechtsgründe für die Datenverarbeitung dar.

Bei der Steuerung der Tourenplanung anlässlich der Ausführung  von Räum- und Streuplänen dürfte davon auszugehen sein, dass – anders als bei privaten Hausmeisterdiensten – die Wahrnehmung der Räum- und Streupflicht bei kritischen Wetterlagen auch zeitkritisch ist. Nach der Rechtsprechung setzt die Streupflicht i. d. R. erst bei Vorliegen einer konkret-aktuellen Glättegefahrenlage ein. Damit sind Daten sowohl zu aktuellen Standorten der Fahrzeuge, z. B. bei der Kontrolle von Wetter und Fahrbahnzustand, als auch zu vergangenen Standorten bzw. Routen im Bauhof planungserheblich, mithin zur Aufgabenerfüllung „erforderlich“.

Eine andere Frage ist, ob GPS-Daten allein als Nachweis für die ordnungsgemäße Durchführung von Räum- und Streuarbeiten geeignet sind. Denn Ortungsdaten belegen letztlich nur, wo sich das Winterdienstfahrzeug zu welchem Zeitpunkt befunden hat. Wenn es um die Beurteilung von Verkehrssicherungspflichtverletzungen geht, werden stets weitere Daten zu Art und Menge des ausgebrachten Streuguts benötigt.

Die Problematik der Privat- und Wochenendfahrten mit dem Winterdienstfahrzeug stellt sich im Bauhof wohl nicht. Zum Wiederauffinden kann GPS nach Feststellung eines Fahrzeugverlusts genutzt werden.

Generell macht es Sinn, die mit der flächendeckenden GPS-Ortung einhergehende dauernde Verhaltens- und Leistungskontrolle der Mitarbeiter insbesondere in Bezug auf die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung sowie bzgl. der Anforderungen an Einwilligungserklärungen einer kritischen Bewertung zu unterziehen. Eine vollumfängliche Kontrolle kann durch eine verbindliche Regelung ausgeschlossen werden.

Ferner ist für die GPS-Ortung von Firmenfahrzeugen die Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) gemäß Art. 35 DSGVO erforderlich. Die Datenschutzkonferenz (DSK) hat hierzu nach Art. 35 Abs. 4 DSGVO für den nichtöffentlichen Bereich eine „Muss“-Liste der Verarbeitungstätigkeiten veröffentlicht, für die eine DSFA zwingend durchzuführen ist. Die Muss-Liste wurde im Vergleich zur ersten Version vom 18.07.2018 teils erweitert und teils präzisiert.

Hinweis
Die von der Datenschutzkonferenz (DSK) veröffentlichte Muss-Liste liegt in der Version 1.1 (Stand 17.10.2018) vor. Sie kann über die Webseite der DSK in deutscher und in englischer Sprache heruntergeladen werden.

Der Autor

Lutz D. Fischer
Rechtsanwalt, Kanzlei fischer.legal, Sankt Augustin
Verbandsjurist Bundesverband Fuhrparkmanagement e. V.

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