HAFTUNG UND RECHT
Gehweg, Niederschlagsablauf, Starkregen und Corona
Text: Kerstin Rügge, Rechtsanwältin | Foto (Header): © beeboys – stock.adobe.com
Ob bei unebenen Gehwegplatten die Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde, sehen die Gerichte sehr unterschiedlich. Wenn, dann kann es teuer werden, weiß Rechtsanwältin Kerstin Rügge.
Auszug aus:
der bauhofLeiter
Ausgabe Juni 2021
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Stolperfalle Gehweg – Wann haftet die Kommune?
Lockere Pflastersteine, lose Gehwegplatten oder Niveauunterschiede zur Bordsteinkante: Es gibt gerade nach der Frostperiode viele Stolperfallen auf einem Gehweg. Auch wenn der Straßenbaulastträger für die Verkehrssicherheit auf Gehwegen verantwortlich ist, muss er nicht jede mögliche Stolperstelle beseitigen und haftet nicht für jeden Sturz eines Passanten.
Ob der Straßenbaulastträger seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, hängt für viele Gerichte entscheidend davon ab, ob die Stolperfalle für den Fußgänger erkennbar war, wie hoch der Niveauunterschied zwischen den Pflastersteinen, Gehwegplatten oder Bordsteinkante war und ob der Kontrollpflicht in angemessenen Zeitabständen nachgekommen wurde.
Dabei hält das Oberlandesgericht Saarbrücken (Aktenzeichen 4 U 146/16) eine monatliche Kontrolle der Gehwege für ausreichend. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm (Aktenzeichen 11 U 72/19) müssen die Gehwege hingegen einmal in der Woche vom Straßenbaulastträger kontrolliert werden.
Bei welchem Niveauunterschied zwischen Gehwegplatten, Pflastersteinen oder Bordsteinkante eine Pflicht zur Beseitigung der Gefahrenquelle für den Straßenbaulastträger besteht, wird von den Gerichten unterschiedlich gewertet.
Nach einer Entscheidung des Landgerichts Coburg (Aktenzeichen 41 O 271/13) muss ein Fußgänger auf Gehwegen mit Unebenheiten von bis zu 2,5 cm rechnen. Ein Sturz bei einem Niveauunterschied zwischen zwei Gehwegplatten von 1,5 cm haftet die Kommune nicht. Auch der Sturz einer Passantin über einen 1 cm hohen Rohrstumpf löst keine Haftung der Kommune aus, so das Landgericht Magdeburg (Aktenzeichen 10 O22/11). Der Sturz fällt unter das allgemeine Lebensrisiko.
Stürzt allerdings ein Fußgänger auf einem schlecht beleuchteten Gehweg mit Platten, die einen Niveauunterschied von 5 bis 7 cm haben, haftet die Kommune für die Folgen des Sturzes und muss 10.000 Euro Schadensersatz an den Passanten zahlen.
So sah es das Oberlandesgericht Dresden (Aktenzeichen 1 U 98/18). Begründung: Der Gehweg machte ansonsten einen guten Eindruck, sodass der Passant nicht mit diesen Unebenheiten rechnen musste.
Ist aber ein Niveauunterschied von 5 cm zwischen Gehwegplatten für einen Fußgänger gut erkennbar, haftet die Kommune nach einem Sturz nicht, entschied das Landgericht Osnabrück (Aktenzeichen 5 O 3922/04). Der Fußgänger hätte mit der nötigen Umsicht den Sturz vermeiden können. So auch das Landgericht Coburg (Aktenzeichen 22 O 458/13) im Fall einer Passantin, die über einen gut erkennbar lockeren Bordstein stürzte. Oder das Oberlandesgericht Brandenburg (Aktenzeichen 2 U 29/08) im Hinblick auf den Sturz eines Passanten aufgrund einer gut erkennbaren Bodenerhöhung durch eine Baumwurzel.
Sieht ein Fußgänger Unebenheiten auf einem Gehweg nicht, weil er eine Getränkekiste vor sich trägt, scheidet bei einem Sturz ebenfalls die Haftung der Kommune aus, weil der Fußgänger den Gehweg nicht im Blick hatte, so das Oberlandesgericht Köln (Aktenzeichen 7 U 298/19).
Fällt ein Kind über eine gut erkennbare Kette zwischen zwei Metallpfosten, die den Gehweg von einer stark befahrenen Verkehrsstraße abtrennt, haftet die Kommune für diesen Unfall auch nicht. Laut Oberlandesgericht Nürnberg (Aktenzeichen 4 U 47/20) war die Kette für das Kind bei der nötigen Aufmerksamkeit nicht zu übersehen.
Straßenbaulastträger für Ablauf von Niederschlagswasser auf Privatgrundstück verantwortlich?
Kommt es durch abfließendes Niederschlagswasser von einer öffentlichen Straße auf ein Privatgrundstück nur zu unwesentlichen Beeinträchtigungen, ist der Straßenbaulastträger nicht verpflichtet, Abhilfe zu schaffen. Dies entschied aktuell das Verwaltungsgericht Mainz (Aktenzeichen 3 K 191/20.MZ) im Fall eines Gewerbegrundstückeigentümers, bei dem der öffentliche Gehweg in einem Bereich von rund 3 qm über sein Grundstück entwässert wird. Er verklagte die Kommune, diesen Anschlussbereich zwischen Gehweg und Grundstück so zu ändern, dass kein zusätzliches Niederschlagswasser auf sein Grundstück läuft. Allerdings ohne Erfolg!
Laut Verwaltungsgericht Mainz werden die Eigentumsrechte des Grundstückseigentümers durch das ablaufende Niederschlagswasser nur unwesentlich beeinträchtigt, da es sich nur um das Niederschlagswasser des Gehwegs in einem zum übrigen Grundstück kleinen Bereich von 3 qm handelt. Das Niederschlagswasser der Straße wird auf der gegenüberliegenden Straßenseite entwässert. Zudem habe der Grundstückseigentümer beim Bau der Straße und des Gehwegs dem Ablauf des Niederschlagswassers auf seinem Grundstück zugestimmt, damit eine Stolperstufe vermieden werden konnte.
Kommune ist nicht zuständig für Starkregenschutz
Geklagt hatte der Eigentümer eines Hauses in Hanglage, das mit einer ca. 80 cm hohen Mauer umgegeben ist. Der Bebauungsplan sieht vor, dass an der südlichen Grundstücksgrenze ein Wasserabflussstreifen und ein Regenrückhaltebecken als Starkregenschutz errichtet wird. Dies geschah bislang nicht, woraufhin der Hauseigentümer auf Ausführung des Bebauungsplans klagte.
Das Verwaltungsgericht Mainz stellt in seiner Entscheidung klar, dass eine einzelne Person nicht darauf klagen kann, dass ein Bebauungsplan auch vollzogen wird. Ein Bebauungsplan verfolgt ausschließlich öffentliche und städtebauliche Ziele. Doch auch ungeachtet dessen kann der Grundstückseigentümer von der Kommune nicht verlangen, einen Starkregenschutz für sein Grundstück zu errichten. Der Grundstückseigentümer ist selbst verantwortlich, zumutbare Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor Starkregen zu treffen, so das Gericht.
Es hob hervor, dass die Kommunen bei Grundstücken in Hanglagen in der Regel das Regenwasser so umleiten, dass die Häuser bei normalem Regen geschützt sind. Vor Starkregen müssen sich die Hauseigentümer allerdings selbst schützen.
Arbeitsschutz auf dem Bauhof in Zeiten von Corona
Während der Corona-Pandemie spielt Arbeitsschutz eine besonders große Rolle – auch auf dem Bauhof. Arbeitnehmer müssen hier bei ganz unterschiedlichen Tätigkeiten wirksam vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus geschützt werden und gleichzeitig gilt es, das Infektionsgeschehen am Arbeitsplatz einzudämmen.
Die Bundesregierung hat im August 2020 Corona-Leitlinien zum Arbeitsschutz, den sog. SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard, veröffentlicht. Diese Leitlinien wurden mit der im Januar 2021 in Kraft getretenen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) weiter ergänzt und im April 2021 im Hinblick auf das Infektionsgeschehen präzisiert.
Konkret sehen die Regeln für den Arbeitsschutz u. a. auf dem Bauhof Folgendes vor:
Es gibt eine Testpflicht für Präsenzbeschäftigte. Das bedeutet, der Arbeitgeber muss seinen Mitarbeitern einmal pro Woche ein Testangebot für einen Schnell- und Selbsttest machen. Bei besonders gefährdeten Arbeitnehmern, die tätigkeitsbedingt häufige Kundenkontakte haben, muss mindestens zweimal pro Woche ein Testangebot erfolgen. Die Tests sind freiwillig. Die Kosten trägt der Arbeitgeber.
Der Mindestabstand von 1,5 m zu anderen Menschen muss grundsätzlich überall eingehalten werden. Entsprechende Schilder oder Plakate sollen alle Beteiligten darauf hinweisen.
Ist das Einhalten des Mindestabstands am Arbeitsplatz nicht möglich, müssen Abtrennungen zwischen den Arbeitsplätzen installiert und das Tragen von medizinischen Masken angeordnet werden. Kann in Fahrzeugen der Mindestabstand von 1,5 m nicht gewährleistet werden, wie im Frontlader oder in der Kehrmaschine, sollten Fahrgemeinschaften von mehreren Mitarbeitern vermieden werden. Ist auch das nicht möglich, wie eventuell bei der Müllsammlung, ist das Tragen von medizinischen Masken anzuordnen.
Zu den Infektionsschutzmaßnahmen in Fahrzeugen gehört auch die Ausstattung mit Desinfektionsmitteln und Papiertüchern. Die Kontaktflächen im Fahrzeug müssen regelmäßig gereinigt werden.
Am Arbeitsplatz sowie in Kantine oder Pausenräumen müssen ein regelmäßiges Stoßlüften sowie eine regelmäßige Reinigung der Räume und der Kontaktflächen, wie Türklinken, Stühle oder Waschbecken, sichergestellt sein. Der Arbeitgeber muss in den Sanitärräumen ausreichend Flüssigseife und Handtuchspender zur Verfügung stellen. Müssen Räume von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden, muss pro Person 10 m² zur Verfügung stehen. In Betrieben ab zehn Beschäftigten sind Arbeitnehmer in möglichst kleine, feste Arbeitsgruppen einzuteilen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, mindestens medizinische Gesichtsmasken zur Verfügung zu stellen. Machen spezifische Tätigkeiten das Tragen einer FFP2-Atemschutzmaske erforderlich, ist diese auch vom Arbeitgeber zu stellen.
Arbeitsgeräte, wie zum Beispiel Motorsägen oder Sandreinigungsgeräte, sollten personenbezogen benutzt und vor der Übergabe an einen Kollegen gereinigt werden. Ist das nicht möglich, empfiehlt sich das Tragen von Handschuhen, soweit die jeweilige Tätigkeit dies zu lässt.
Arbeitskleidung und persönliche Schutzkleidung darf nur personenbezogen getragen werden und es muss sichergestellt sein, dass diese regelmäßig gereinigt wird. Die Alltagskleidung darf nicht in Berührung mit der Arbeitskleidung kommen.
Auch der Zugang für Betriebsfremde auf den Bauhof muss geregelt sein. Dabei gilt auch hier die Devise: Kontakte vermeiden und möglichst wenig Betriebsfremde gleichzeitig auf den Bauhof lassen. Es sollten gegebenenfalls entsprechende Markierungen oder Absperrungen eingerichtet werden, die den Zugang regeln. Um eine Häufung von Kunden, etwa bei der Müllentsorgung, zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Öffnungszeiten zu erweitern. Die Kontaktdaten der Besucher müssen dokumentiert werden.
Arbeitnehmer mit ungeklärten Krankheitssymptomen, wie Fieber oder Husten, sollen nicht zum Dienst oder auf dem Bauhofgelände erscheinen. Treten sie trotzdem den Dienst an, müssen sie umgehend nach Hause geschickt werden und ihre Erkrankung ärztlich abklären lassen.
Bei Arbeitnehmern, die als Risikopatienten gelten, sind gegebenenfalls individuelle Schutzmaßnahmen zu treffen.
Kontrolliert wird das Einhalten des Arbeitsschutzes von den Arbeitsschutzbehörden der Länder. Je nach Schwere eines Verstoßes gegen die Arbeitsschutzregeln kann ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro fällig werden.