ERFAHRUNGSBERICHTE UND INTERVIEWS
Frauen auf dem Bauhof
Text | Foto (Header): © Christine Lendt
Etwas skeptisch waren einige ihrer neuen Kollegen schon, als die 22-jährige Manuela Pieske auf dem Baubetriebshof in Wülfrath eingestellt wurde. Nach nur vier Monaten sind jedoch alle Zweifel ausgeräumt.
Auszug aus:
der bauhofLeiter
Ausgabe Juni 2022
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INHALTE DES BEITRAGS
„Da kann man auch mal Tacheles reden“
Ein klares Ziel: selbst einen Baum fällen
Als Manuela Pieske zum ersten Mal die Motorsägen im Maschinenlager des Bauhofs sah, leuchteten ihre Augen. Sofort wusste sie: Das möchte ich auch machen! „Ich arbeite gerne mit Maschinen und scheue mich nicht davor, so in der Art, lass das mal lieber einen Mann machen“, stellte sie gleich klar. „Na, ich weiß ja nicht…“, zögerte Kolonnenleiter Patrick Muthmann, nicht wirklich überzeugt. Doch letztlich war die neue Kollegin für die Grünpflege eingestellt worden und das Team benötigte rundherum qualifiziertes Personal. Also durfte die gelernte Gärtnerin den ersten Kettensägenschein machen und wird nun auch bei Baumpflegearbeiten eingesetzt. „Ich muss sagen, das macht sie schon ganz gut“, gibt der Vorarbeiter zu.
„Da kann man auch mal Tacheles reden“
Ansonsten packt Manuela Pieske überall mit an, wo gerade jemand gebraucht wird: Beim Spielplatzbau, bei Steinarbeiten und auch mal bei der Leerung öffentlicher Abfallbehälter im Stadtgebiet ist sie mit dabei. Es ist für sie alles selbstverständlich. „Das sind zwar eigentlich gar nicht meine Bereiche, doch wir sind nun mal alle Arbeitskollegen und man hilft sich untereinander. Außerdem gehörten zum Beispiel einige Tiefbauarbeiten auch zu meiner Ausbildung im Garten- und Landschaftsbau.“ Seit sie im Januar 2022 auf dem Bauhof angefangen hat, war sie dort schon in sämtlichen Bereichen tätig. Den Großteil ihrer Aufgaben macht natürlich die Grünpflege aus. Gerade hat das Team 25 Bäume gepflanzt. „Das war für uns alle ein Highlight, weil so etwas hier bei uns am Bauhof noch nicht so oft gemacht wurde und und wir im Team mal die Möglichkeit hatten, zu zeigen, was wir fachlich so drauf haben. Aber das haben wir in der Truppe gut hinbekommen.“ Die einzige weibliche Beschäftigte zu sein, war für sie von Anfang an kein Thema – im Gegenteil. „Frauen finde ich oft anstrengender, und da ich generell ein Mensch bin, der sagt, was er denkt, komme ich mit männlichen Kollegen super klar. Da kann man auch mal Tacheles reden.“
Immer einfach ist es natürlich auch mit den Herren der Schöpfung nicht, räumt Manuela Pieske ein: „Ich bin schon von meiner vorherigen Arbeitsstelle her gewohnt, dass jeder Kollege seinen Charakter hat und auch Spezialfälle dabei sind“, sagt sie schmunzelnd. „Da braucht man dann eben etwas mehr Feingefühl.“ In der Gärtnerei waren 95 der 150 Beschäftigten männlich; daher ist sie schon einiges gewohnt. Dreieinhalb Jahre war sie dort tätig, hatte ihre Ausbildung absolviert und anschließend noch ein halbes Jahr lang eine Kolonne mitgeleitet, bis sie sich entschloss, sich umzuorientieren. Gedanken habe sie sich nur allgemein wegen der Eingewöhnung in einem neuen Betrieb gemacht: Wie sind dort wohl die Kollegen? Wie komme ich mit den Chefs zurecht, wie mit den ungewohnten Arbeitsabläufen? Ob männlich oder weiblich, das spielte für sie keine Rolle.
Ein klares Ziel: selbst einen Baum fällen
Wichtig war der Gärtnerin bei der Suche nach der neuen Stelle vielmehr, den gelernten Beruf weiterhin ausüben zu können und dass der Betrieb nicht zu weit weg von ihrem Heimatort wäre. „Außerdem wollte ich nicht so gern in einem kleinen Privatbetrieb arbeiten. Also habe ich mich bei den Städten umgehört, welche Stellen für Gärtnerinnen ausgeschrieben sind, und mich dann einfach hier beim Bauhof beworben.“ Dort wurde sie nun als vierte Frau innerhalb von 24 Jahren eingestellt, dabei waren nie mehrere Damen gleichzeitig dort beschäftigt. Außer der zweiköpfigen Führungsriege hat sie noch 20 Kollegen.
Im Vorstellungsgespräch konnte Manuela Pieske gegenüber den männlichen Kandidaten punkten, wie Bauhofleiter Daniel Hödtke berichtet. „Unser oberster Grundsatz ist die Bestenauslese. Wir hatten fünf Personen eingeladen, die sich beworben hatten. Die anderen vier waren männlich, und da hat sich Frau Pieske ganz klar durchgesetzt, als wir ihnen allgemeine und fachliche Fragen gestellt haben.“ Auch das Miteinander habe von Anfang an gut funktioniert. „Wenn es mal etwas derber zugeht, ist sie völlig schmerzfrei und sagt dann schon, was Sache ist. Ich finde es gut, dass sich unsere Mitarbeiterin gegenüber den Männern so behaupten kann.“ Dies bestätigt auch sie selbst. „Ich bin total glücklich hier und mache die Arbeit voll gerne.“
Nun möchte Manuela Pieske noch den Motorsägen-Schein „Arbeitssicherheit Baum II“ machen, der auch zu Steigerarbeiten berechtigt. Einen großen Wunsch für die Zukunft hat sie außerdem: „Nicht nur am Häcksler zu stehen, sondern auch mal selbst einen Baum fällen zu dürfen.“ Gesagt, getan. Mit Kolonnenführer Patrick Muthmann hat sie sich bereits geeinigt, mit dabei zu sein, wenn im kommenden Winter Fällungen anstehen.
„Man merkt es am Betriebsklima, wenn eine Frau im Team ist. Die Stimmung ist harmonischer und die Jungs zeigen sich dann auch von ganz anderen Seiten. Der Ton auf dem Bauhof kann sonst ja schon mal etwas ruppiger sein, aber auch damit konnten unsere Kolleginnen bisher immer gut umgehen. Eine gemischte Belegschaft ist auch eine Bereicherung, weil es mehr Facetten mit sich bringt. Alle haben ihre Eigenarten, Stärken und Schwächen, und auch geschlechterspezifisch gibt es Unterschiede, das macht es in der Summe besonders interessant. Ich hätte gar nichts dagegen, mehr Mitarbeiterinnen einzustellen und wünsche mir diesbezüglich auch weiterhin Unterstützung von der Stadtverwaltung, damit wir für die Zukunft mit mehr weiblichen Beschäftigten gut gerüstet sind.“
Daniel Hödtke, Leitung Baubetriebshof der Stadt Wülfrath
„Weil ich seit 24 Jahren hier auf dem Bauhof bin, habe ich auch alle vier Mitarbeiterinnen kennengelernt, die es hier bisher gab. Frau Pieske überzeugt mit ihrem fachlichen und selbstbewussten Auftreten und sorgt mit ihrer Lockerheit und ihrem Frohsinn für frischen Wind. Obendrein ist sienicht auf den Mund gefallen. Das passt einfach und wir sind alle völlig mit ihr zufrieden. So kann es gerne auch mit anderen Kolleginnen weitergehen.“
Stephan Grübmeier, stellvertretende Leitung Baubetriebshof der Stadt Wülfrath
„Als Frau Pieske auch Arbeiten mit der Motorsäge übernehmen sollte, war ich schon erstmal skeptisch. Dann habe ich gesagt: Komm, versuchen wir es einfach, und habe ihr die einen oder anderen Tricks an der Säge gezeigt. Schon bei den ersten Schritten war ich positiv überrascht, wie gut sie damit zurechtkommt. Ich lerne auch selbst immer noch dazu und gebe meine Erfahrungen gerne an unsere Kollegin weiter.“
Patrick Muthmann (35), Vorarbeiter der Grünpflegekolonne
„Seit ich hier bin, gab es auch immer eine Frau auf unserem Bauhof. Die vorherige Kollegin war etwas älter und als dann Frau Pieske nachgerutscht ist, dachte ich erst: Okay, das ist bestimmt so ein stilles Mäuschen. Aber ganz im Gegenteil, die Kollegin hält die Jungs hier schon gut auf Trab. Manchmal schlägt sie etwas über die Stränge, dann muss man sie halt ein bisschen bremsen, aber das läuft alles schon sehr gut. Ich muss auch sagen, dass Frau Pieske mit ihren 22 Jahren dem einen oder anderen hier sogar noch ein bisschen was zeigen kann. Auf jeden Fall können wir super mit ihr zusammenarbeiten.“
Tobias Dura (37), Mitarbeiter der Grünpflegekolonne
„Frauen, traut euch! Bei der Stadt Wülfrath begrüßen wir ausdrücklich Bewerbungen von Frauen. Bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung werden Frauen bevorzugt eingestellt, sofern in der jeweiligen Gruppe weniger Frauen als Männer arbeiten. Das regelt bereits das Landesgleichstellungsgesetz NRW.
In unserem Gleichstellungsplan haben wir Maßnahmen aufgeführt, die berufliche Chancengleichheit von Frauen und Männern kontinuierlich umzusetzen.
So nimmt die Stadt Wülfrath regelmäßig am Girls` Day teil, bei dem Mädchen einen Tag lang in „jungentypische“ Berufe reinschnuppern können. Bisher hatten wir am Bauhof damit leider nur mäßigen Erfolg. In den letzten beiden Jahren konnte der Berufserkundungstag zudem coronabedingt nur digital stattfinden. Aber wir bleiben dran und versuchen nächstes Jahr wieder Teilnehmerinnen zu finden Eine gendersensible Sprache und das „Sichtbarmachen“ von Frauen in männerdominierten Arbeitsbereichen sind weitere Instrumente, mit denen wir versuchen, unseren Frauenanteil zu erhöhen. Unsere Stellenausschreibungen sind gegendert. Ebenso achten wir darauf, dass z. B. in der Berichterstattung über unseren Bauhof Frauen und Männer zu Wort kommen und im Bild gezeigt werden. Im Rahmen einer Medienpartnerschaft mit einer lokalen Tageszeitung stellen wir seit einigen Monaten unsere Mitarbeitenden der Öffentlichkeit vor. Auch dies ist eine gute Möglichkeit, Kolleginnen in von Männern bestimmten Tätigkeitsfeldern als positive Beispiele vorzustellen. Und wir wollen Möglichkeiten schaffen, Ausbildungsplätze beim Bauhof anzubieten, um weibliche Auszubildende zu gewinnen.
Für ein Gleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Mitarbeitenden ist es zudem wichtig, gleiche räumliche Bedingungen für alle Geschlechter zu schaffen. Auch wenn zur Zeit nur eine Kollegin auf dem Bauhof arbeitet, freue ich mich sehr, dass dort zurzeit die Sozial- und Sanitärräume für weibliche Beschäftigte umgebaut werden. Unsere Willkommenskultur soll mehr Frauen dazu animieren, sich bei uns zu bewerben. Denn ich bin überzeugt: Gemischte Teams sind immer noch die besten Teams!
Zum Schluss eine Anmerkung: Als Gleichstellungsbeauftragte begrüße ich die Themenreihe zu Frauen auf dem Bauhof sehr. Der Name der Fachzeitschrift „Der BauhofLeiter“ impliziert allerdings, dass ausschließlich Männer einen Bauhof leiten bzw. dort arbeiten. Als Frau fühle ich mich durch den Titel nicht angesprochen. Vielleicht regt die Themenreihe in den eigenen Reihen an, den Namen der Zeitschrift zu überdenken oder einen Untertitel aufzunehmen, der auch Frauen anspricht? Darüber würde ich mich sehr freuen.“
Franca Calvano, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Wülfrath
Die Autorin
Christine Lendt Freie Journalistin und Autorin mit Schwerpunkt im Bereich Beruf, Karriere und Arbeitsschutz.