MEIN TEAM UND ICH

Der emanzipierte Bauhof

Text: Johann Detlev Niemann | Foto (Header): © AdriaVidal – stock.adobe.com

Beschäftigte der kommunalen Bauhöfe sind qualifizierte Fachkräfte und machen meist die Dinge, die der Bürger eher ungern macht. Dieser Personenkreis hat Applaus und Wertschätzung verdient.

Auszug aus:

der bauhofLeiter
Ausgabe Dezember 2021
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In der August-Ausgabe stellte ich die Ergebnisse meiner Studie über den „aggressiven Bürger“ vor und kündigte an, dass ich mich mit diesem Thema weiterhin beschäftigen werde. Heute möchte ich eine Lanze brechen für die vielen gut ausgebildeten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommunaler Bauhöfe.

Fast jeden Sonntag hole ich beim Bäcker frische, duftende Brötchen. Das Sonntagsfrühstück ist uns wichtig, und aufgefahren wird, was Speisekammer und Kühlschrank hergeben. Es ist für uns inzwischen selbstverständlich, dass irgendjemand am Sonntagmorgen sehr früh aufsteht und unsere Brötchen backt.

Diese Selbstverständlichkeit lässt sich auch auf die Aufgabenerfüllung der kommunalen Bauhöfe übertragen. Für uns ist es selbstverständlich, dass irgendjemand im Winter den Schnee räumt und im Sommerhalbjahr die Grünflächen pflegt. Es ist für uns selbstverständlich, dass regelmäßig die öffentlichen Mülleimer geleert, die Straßen kontrolliert und wo nötig ausgebessert werden. Selbstverständlich, klar, wir bezahlen ja auch Steuern und Abgaben…

Doch wo bleiben Respekt und Anerkennung für die vielen Angestellten der Bauhöfe und deren so wichtige Aufgaben? Im wahrsten Sinne des Wortes bleiben sie auf der Straße liegen. Wir, unsere Gesellschaft, sind zu bequem geworden, Egoismus hat sich breitgemacht.

Zwei Beispiele
1. Der Leiter des örtlichen Bauhofs wird zu einer Gemeinderatssitzung im Frühjahr eingeladen. So nebenbei beschweren sich zwei Ratsmitglieder, dass im vergangenen Winter der Schnee in ihrem Wohngebiet nur unzureichend geräumt wurde. Beide Ratsmitglieder wohnen jeweils in Sackgassen, deren „Räum-Prioritäten“ nicht besonders hoch sind.

Der Bauhofleiter erklärt dem Gemeinderat ruhig und sachlich, nach welchen Richtlinien die örtlichen Straßen vom Schnee geräumt werden. Mit der Aussage sind die beiden „Beschwerdeführer“ jedoch nicht einverstanden, obwohl der Rat diese Richtlinien selbst verabschiedet hatte.

2. In einer Kleinstadt führen Mitarbeiter des örtlichen Bauhofs in den Sommerferien immer wieder kleinere und größere Reparaturen auf den beiden Durchgangsstraßen aus. Dies führt zu Behinderungen der Verkehrsteilnehmer. Die Beschwerden speziell der Anwohner nehmen beim Bürgermeister zu. Es ist den Anwohnern zu lästig, kleinere Umwege mal in Kauf zu nehmen.

Der Bürgermeister lässt den Bauhofleiter wissen, doch bitte diese Tätigkeiten erst nach der Kommunalwahl in acht Wochen wieder aufzunehmen.

Ich unterstelle, dass diese beiden realen Beispiele Einzelfälle sind. Keine Einzelfälle sind hingegen, wenn Erwachsene, Eltern mit Kindern oder Schülerinnen und Schüler bewusst Papier- und Verpackungsmüll oder Altglas in Parkanlagen oder auf Gehwegen achtlos wegwerfen, wissend, dass ihr Müll gleich von dem orange gekleideten kommunalen Mitarbeiter aufgehoben und entsorgt wird. Das empfinde ich als Ignoranz.

Meine Tochter und der Millionär
Dies ist der Titel eines Spielfilms aus dem Jahr 2009, in dem der 2019 verstorbene Schauspieler Jan Fedder eine der Hauptrollen spielt. Er spielt den Müllmann Hannes, dessen Tochter einen Millionärssohn heiraten möchte. In diesem amüsanten Film werden die Klischees zwischen arm und reich sowie gesellschaftlich oben und unten immer wieder aufs Korn genommen. Wertschätzung für die Müllabfuhr kommt natürlich zu kurz, und hier sind wir wieder bei unserem Thema.

Wertschätzung, den Wert einer Leistung würdigen, zählt zu den bürgerlichen Tugenden, die gern mal außer Acht gelassen werden. Doch wem sollen beziehungsweise wollen wir Respekt und Anerkennung zollen? – Es sind die Frauen und Männer von den kommunalen Bauhöfen, die uns täglich das Leben etwas angenehmer gestalten.

„Der Bauhof ist die Allzweckwaffe der kommunalen Verwaltung. Wir müssen alles können und am besten sofort.“
Ein Bauhofleiter aus Hessen

Jede Gemeinde, jede Stadt sowie fast jeder Landkreis hat seinen eigenen Bauhof, mal mit vier Angestellten, mal mit über 300 Beschäftigten. So unterschiedlich die Größe der Bauhöfe ist, so breitgefächert ist auch deren Aufgabenspektrum. Neben den klassischen Tätigkeiten kann auch der Auf- und Abbau des jährlichen Weihnachtsmarkts, das Anbringen neuer Verkehrsschilder oder die Pflege und Organisation der Parkscheinautomaten dazu zählen.

Viele der Beschäftigten haben besondere Fortbildungen durchlaufen, um bestimmte Aufgaben fachgerecht durchzuführen. Hier eine kleine Aufzählung von diesen qualifizierten Tätigkeiten:
• Baumkontrolleur
• Spielplatzkontrolleur
• Fachwirt für Grünflächenpflege
• Bauleiter im Straßen- und Tiefbau
• Streckenkontrolleur
• Erdbaumaschinenführer
• Ladekranführer
• Gärtner/-meister

Der souveräne Mitarbeiter
Im Mittelalter war der Souverän der Landesherr. Gern verwende ich das Wort „souverän“ in meinen Seminaren, wenn es um das selbstbewusste Auftreten als Fachkraft kommunaler Bauhöfe geht.

Souveräne Menschen haben ein realistisches Selbstbild. Sie sind sich ihrer beruflichen Fertig- und Fähigkeiten bewusst und können diese sachlich und fachlich einschätzen. Wenn sie Fehler machen, dann stehen sie dazu und übernehmen Verantwortung. Sie suchen die Schuld nicht bei anderen, sondern gehen selbstkritisch, kreativ und lösungsorientiert im Tagesgeschäft vor.

 

Stimmungsbilder aus der Praxis

Nachfolgend stelle ich Ihnen drei sehr unterschiedliche Arbeitsbereiche aus Niedersachsen, vom Niederrhein und vom Südschwarzwald vor:

Als Mitarbeiter der Abteilung StadtGrün im Kommunalbetrieb der Stadt Buchholz in der Nordheide sind Martin Becker und Dietmar Biesler für die Kontrolle der städtischen Spiel- und Bolzplätze unterwegs. Die insgesamt 60 Spiel- und sieben Bolzplätze sowie zusätzliche Sportaktionsflächen und Trimm-Dich-Pfade müssen permanent auf die Betriebssicherheit und Sauberkeit kontrolliert werden. Dabei werden keine Abstriche bei den Kontrollen gemacht, obwohl die zwei Mitarbeiter zusätzlich auch für die Reparaturen und den Austausch von defekten Geräten und Geräteteilen zuständig sind.

„Das ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, die neben technischem Geschick auch eine persönliche Zertifizierung als Spielplatzkontrolleur verlangt“, betont der Leiter des Kommunalbetriebs, Sacha Baustian. Da es fast keine identischen Spielgeräte auf den Plätzen gibt, muss jeder einzelne Ausstattungsgegenstand genau gekannt und beurteilt werden können. Manchmal muss auch ein Spielgerät vollständig abgebaut werden, da es seine Altersgrenze erreicht hat. Umso schöner, wenn dann auch wieder Neues aufgebaut und gestaltet werden kann. „Die tobenden und fröhlichen Kinder hier zu sehen und einen sauberen Spielplatz zu hinterlassen, auf dem es keine Unfallgefahren gibt, bringt eine Menge an Arbeitsfreude“, sagt Becker.

Markus Höttges ist Landschaftsgärtner aus Geldern, Niederrhein, und wundert sich immer wieder, dass seine fachliche Kompetenz infrage gestellt wird. In einem Gespräch mit dem Autor nannte der GaLaBau-Meister unter anderem zwei kleine Beispiele: Schattenstauden sollten nach Meinung des Auftraggebers dort gepflanzt werden, wo sie der prallen Sonne voll und ganz ausgesetzt sind, anstatt artgerecht an einem schattigen Plätzchen.

Bei Natursteinarbeiten sollte normaler Zement verwendet werden, Höttges empfahl jedoch Trass-Zement, der das Ausblühen bei Naturstein verhindert.

In solchen Situationen muss Markus Höttges immer wieder standhaft seine fachliche Meinung vertreten. Letztendlich profitieren alle Beteiligen von der hohen Kompetenz des Landschaftsgärtners. Verstehen tun es viele nicht sofort.

Nicht erst seit den Katastrophen in diesem Sommer ist Hochwasserschutz ein wichtiges Thema für kommunale Bauhöfe. Hochwässer können nicht verhindert, aber in ihren Wirkungen abgemildert werden. Hochwasser macht auch nicht an den Gemeindegrenzen halt. Wie sich eine Gemeinde diesem Thema stellen kann, verdeutlicht ein Beispiel aus Grenzach-Wyhlen im Kreis Lörrach. Dort wurde vor drei Jahren eine Stelle für den Hochwasserschutz eingerichtet. Diese Stelle übernahm John Haberzettl. Regelmäßig kontrolliert er Bäche, Kanäle sowie deren Zu- und Abflüsse. Ferner befreit er Bäche bei Bedarf von angeschwemmten Treibgut oder Gehölzen.

Genervt ist John Haberzettl, wenn Anwohner immer wieder ihren privaten Grünschnitt oder andere Abfälle in den Bachläufen entsorgen. Manchmal könnte man denken, die Bevölkerung hat nichts aus den vielen Hochwasserkatastrophen in den letzten zwanzig Jahren in Deutschland gelernt, da viele Ursachen nach wie vor eher hausgemacht sind.

 

Bausteine der Souveränität

Die Kompetenzmerkmale nach Johann Detlev Niemann, die Bauhofleiter selbst leben und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vermitteln sollten.

Die Abbildung stellt eine Mauer dar. Die Elemente dieser Mauer bilden Kompetenzmerkmale, über die ein souverän arbeitender Mensch verfügen sollte. Einige dieser Kompetenzmerkmale* sollten angeboren sein, andere wiederum kann man erlernen. Die Mauer der Souveränität ist für jede Persönlichkeit stabil, wenn alle Kompetenzmerkmale der vier Kompetenzbereiche zumindest ausreichend vorhanden sind:
• Selbstsicherheit
• Eigenverantwortung
• Professionalität
• fachliche Unabhängigkeit
* Kompetenzmerkmal ist der Oberbegriff für Kompetenzen, Werte und Tugenden

Meine Parole an die Leitung der Bauhöfe lautet: Sorgen Sie dafür, dass alle Führungskräfte Ihres Bauhofs über die auf dem Flipchart dargestellten Kompetenzmerkmale verfügen. Zielführend wäre es selbstverständlich auch, wenn möglichst viele der Beschäftigten über diese Kompetenzmerkmale verfügen.

 

Praxistipps

Dieser Betrag steht etwas provokativ formuliert in der falschen Zeitschrift. Aber dennoch bietet er sich für Sie, die Beschäftigten der Bauhöfe, als ein wertvolles Medium an. Hier einige Empfehlungen:
• Geben Sie jedem Beschäftigten mit der nächsten Lohnabrechnung eine Kopie dieses Beitrags mit.
• Hängen Sie diesen Beitrag am schwarzen Brett aus.
• Halten Sie, spätestens nach fünf Jahren wieder, einen Kurzvortrag über das Leistungs- und Aufgabenspektrum Ihres kommunalen Bauhofs vor dem Gemeinde- oder Stadtrat und stellen Sie zumindest Ihre Führungskräfte mit einem Foto vor.

Die Beschäftigten eines kommunalen Bauhofs bilden häufig 10 bis 20 % aller Beschäftigten einer Gemeinde- oder Stadtverwaltung.

• Lassen Sie jedem Ratsmitglied eine Kopie dieses Beitrags sowie eine Kopie der Umfrage-Ergebnisse, bauhofLeiter 08-2021, zukommen.
• Gewinnen Sie das Vertrauen und die Sympathie der Gemeindeverwaltung, falls noch nicht vorhanden.
• Informieren Sie regelmäßig in örtlichen Medien, Print wie Online, über Beispiele aus dem täglichen Arbeitsleben Ihres Bauhofs.
• Sensibilisieren Sie die Bevölkerung, ggf. mit Unterstützung des Gemeinde-, Stadt- oder Kreisrates, für die Leistungsfähigkeit und Professionalität Ihres Bauhofs.

Es soll weitergehen:

Dieser Beitrag steht in einer Fachzeitschrift und nicht in einem Medium, welches der breiten Öffentlichkeit zugänglich ist. Daher werde ich Kontakt zu überregionalen Tageszeitungen aufnehmen und den Redaktionen diesen oder ähnliche Beiträge anbieten. Auf diesem Weg möchte ich für Sie, die vielen Beschäftigten der kommunalen Bauhöfe, eine Lanze brechen. Sie alle haben Respekt und Anerkennung verdient.

Der Autor

Johann Detlev Niemann
Seminarleiter und Moderator
www.mct-niemann.de

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