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Kündigung wegen Krankheit
Text: Amelie Bernardi | Foto (Header): © nmann77 – stock.adobe.com
Häufige Kurzerkrankungen und dadurch bedingte, immer wiederkehrende Entgeltfortzahlungen an den erkrankten Mitarbeiter sind auch in Bauhöfen immer wieder Thema. Wenn die Krankheitszeiten überhandnehmen, kann solchen Mitarbeitern gekündigt werden. Was Sie dabei beachten müssen:
Auszug aus:
der bauhofLeiter
Ausgabe Dezember 2020
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Sind Arbeitnehmer langjährig im Bauhof beschäftigt und gilt für die betreffenden Arbeitsverhältnisse ein Tarifvertrag, genießen diese langjährig tätigen Mitarbeiter häufig einen besonderen Kündigungsschutz: Sie sind „nach dem Tarifvertrag unkündbar“. Nach § 34 Abs. 2 des TVöD sind Arbeitnehmer z. B. bereits dann unkündbar, wenn sie
- das 40. Lebensjahr vollendet haben und
- beim Arbeitgeber länger als 15 Jahre beschäftigt sind.
Die Bezeichnung „nach dem Tarifvertrag unkündbar“ bedeutet nun aber nicht, dass das Arbeitsverhältnis dieser Mitarbeiter unter keinen Umständen gekündigt werden kann. Unkündbarkeit heißt in diesen Fällen Folgendes: Grundsätzlich kann diesen Arbeitnehmern dann gekündigt werden, wenn ein fristloser Kündigungsgrund vorliegt.
Fristloser Kündigungsgrund
Von einem fristlosen Kündigungsgrund ist immer dann die Rede, wenn der Grund für die Kündigung so schwerwiegend ist, dass dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, bis zum Ende der Kündigungsfrist am Arbeitsverhältnis festzuhalten. Solche Gründe können beispielsweise Straftaten wie körperliche Angriffe, Veruntreuung oder Unterschlagung von Geldern/Vermögensgegenständen durch den Arbeitnehmer sein. Auf Arbeitgeberseite liegen schwerwiegende Kündigungsgründe vor, die den Arbeitnehmer zur fristlosen Kündigung berechtigen können, wenn das Arbeitsentgelt längerfristig nicht gezahlt wird. Bei einer krankheitsbedingten Kündigung sind solche schwerwiegenden Gründe eigentlich nicht denkbar.
Wenn nun gemäß Tarifvertrag der langjährig beschäftigte Mitarbeiter nur dann gekündigt werden kann, wenn ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt, könnte man meinen, der betreffende Arbeitnehmer könne nur bei Vorhandensein eines solch schwerwiegenden Grundes, nicht aber bei einem angeschlagenen Gesundheitszustand – bei häufigen Kurzerkrankungen – gekündigt werden. Dem ist jedoch nicht so. Auch solchen, „nach dem Tarifvertrag unkündbaren“ Arbeitnehmern kann bei häufigen Kurzerkrankungen gekündigt werden. Dies allerdings unter höheren Voraussetzungen als bei Arbeitnehmern, deren Beschäftigungsverhältnis nicht so weit zurückreicht, und die somit den „Unkündbarkeitsschutz“ nicht genießen.
Beschluss des Bundesarbeitsgerichts
Die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung von nach dem Tarifvertrag nur noch aus wichtigem Grund fristlos kündbaren Arbeitnehmer sind höher als bei den „normalen“ Mitarbeitern. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht die Anforderungen an die Kündigung von nach dem Tarifvertrag unkündbaren Arbeitnehmern mit einem neuen Urteil (Urteil BAG vom 25.04.2018, Az.: 2 AZR 6/18) herabgesetzt. In einer früheren Entscheidung vom 23.01.2014, Az.: 2 AZR 582/13, urteilte das Bundesarbeitsgericht noch, dass die Kündigung eines nach dem TVöD unkündbaren Arbeitnehmer wegen häufiger Kurzerkrankungen nur dann wirksam sei, wenn das Arbeitsverhältnis wegen jener häufigen Erkrankungen vollkommen sinnentleert sei. Der Arbeitnehmer musste also so häufig erkrankt sein, dass der Arbeitgeber in der Fortsetzung der Beschäftigung keinen Sinn mehr sah.
Im neueren Entscheid vom 25.04.2018 hat das Bundesarbeitsgericht die Anforderungen nun gelockert. Das höchste deutsche Arbeitsgericht hatte in der vorzitierten Entscheidung für eine krankheitsbedingte Kündigung folgenden Fall genügen lassen: Ein „unkündbarer“ Arbeitnehmer fehlte krankheitsbedingt im Jahr 2011 insgesamt 39 Tage. Von September 2011 bis Ende April des Jahres 2013 erkrankte ebenjener durchgehend. Zunächst verbesserte sich sein Gesundheitszustand – von August bis September 2013 fehlte er nur an acht Arbeitstagen – doch in den darauffolgenden Jahren fiel der Arbeitnehmer regelmäßig aus (2015: 139 Tage, 2016: 62 Tage). Das Bundesarbeitsgericht entschied zwar nicht abschließend, da es den Rechtsstreit wegen noch notwendig weiterer festzustellender Tatsachen an das Landesarbeitsgericht zurückwies. Es ließ aber erkennen, dass zukünftig solch häufige Fehlzeiten grundsätzlich auch bei nach dem Tarifvertrag unkündbaren Arbeitnehmern als ausreichend für eine fristlose Kündigung anzusehen seien.
Das Bundesarbeitsgericht ließ im Einzelnen erkennen, dass es für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses solch unkündbarer Arbeitnehmer als ausreichend anzusehen ist, wenn diese mehr als ein Drittel der Beschäftigungszeit erkrankt sind, und der Arbeitnehmer für diesen Zeitraum Entgeltfortzahlung leisten muss. Denn bekanntlich muss der Arbeitgeber während der ersten sechs Wochen der Erkrankung Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer leisten.
Kündigung nach einer sog. sozialen Auslauffrist
Eine solche Kündigung eines nach dem Tarifvertrag unkündbaren Arbeitnehmers kann nicht tatsächlich fristlos – also mit sofortiger Wirkung – erfolgen, sondern muss mit einer sog. sozialen Auslauffrist erklärt werden. Dies bedeutet in der Praxis, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dem Wortlaut gemäß „fristlos“ unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist, die der gesetzlichen oder ggf. längeren vertraglichen Kündigungsfrist entspricht, kündigt. Die Kündigung wird zwar als fristlose Kündigung bezeichnet, es wird aber die Frist eingehalten, die auch bei einer fristgerechten Kündigung zu beachten wäre.
Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung
Für die krankheitsbedingte Kündigung nach dem Tarifvertrag unkündbarer Arbeitnehmer genügt aber nicht nur das Vorliegen entsprechend häufiger und andauernder Erkrankungen. Vielmehr müssen auch die weiteren Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung vorliegen.
Grundsätzlich sind nur solche Arbeitnehmer überhaupt vor einer krankheitsbedingten Kündigung geschützt, die in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern beschäftigt sind, und dies länger als sechs Monate.
Langfristig beschäftigten Arbeitnehmern, die bereits vor dem 01.02.2004 bei dem Arbeitgeber tätig waren, genießen einen solchen Kündigungsschutz bereits dann, wenn mehr als fünf Mitarbeiter im Betrieb tätig sind.
Kündigungsschutz
Besteht für Mitarbeiter ein solcher Kündigungsschutz, kann der Arbeitgeber ihn nur dann entlassen, wenn die Kündigung
- verhaltensbedingt (z. B. Straftaten, häufiges Zuspätkommen, Schlechtleistung),
- betriebsbedingt (z. B. Auftragsmangel) oder
- personenbedingt ist.
Die krankheitsbedingte Kündigung ist Teil der personenbedingten Kündigung.
Zwei Arten der krankheitsbedingten Kündigung
Hierbei müssen zwei Arten unterschieden werden:
- die langanhaltende Erkrankung
- die häufigen Kurzerkrankungen
Auf die Kündigung langzeitig erkrankter Arbeitnehmer wird in diesem Artikel nicht eingegangen, da das genannte Urteil des Bundesarbeitsgerichts ausschließlich häufige Kurzerkrankungen beinhaltet.
Erkrankt ein Mitarbeiter immer wieder, kann deshalb eine Kündigung infrage kommen. Zuvor müssen jedoch folgende Voraussetzungen erfüllt werden, bevor an einen solchen Beendigungsgrund gedacht werden kann:
- In der Regel muss der Arbeitnehmer insgesamt mindestens sechs Wochen pro Jahr in den letzten drei Jahren erkrankt gewesen sein.
- Bei unkündbaren Arbeitnehmern kann laut Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2018 frühestens bei einer Erkrankungszeit von insgesamt dreizehn Wochen pro Jahr in den letzten drei Jahren eine krankheitsbedingte Kündigung erwogen werden.
- Es muss zu betrieblichen Beeinträchtigungen wegen der Erkrankung kommen.
- Es muss von einer negativen Zukunftsprognose ausgegangen werden können.
- Und es müssen wirtschaftliche Beeinträchtigungen des Arbeitgebers vorliegen.
In Bezug auf den Erkrankungszeitraum von je sechs/dreizehn Wochen pro Jahr sind die einzelnen Krankheitszeiten zusammenzurechnen.
Betriebliche Beeinträchtigungen ergeben sich bei den häufigen Kurzerkrankungen oft, da es durch solche Ausfälle oftmals zu Störungen im Betriebsablauf kommt. Meldet sich beispielsweise ein Mitarbeiter morgens krank, muss zunächst nach einer Vertretung gesucht werden. Die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen ergeben sich bei Kurzerkrankungen zumeist bereits aus den Entgeltfortzahlungskosten, die der Arbeitgeber i. d. R. zu tragen hat. Denn in Fällen, in denen der Erkrankungszeitraum kürzer als sechs Wochen andauert, hat der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung bei Erkrankung grundsätzlich zu tragen.
Im Hinblick auf die negative Gesundheitsprognose kann auf die Ausführungen zu den langandauernden Erkrankungen verwiesen werden.
Fazit
Vor der Kündigung eines erkrankten Mitarbeiters empfiehlt es sich unbedingt, mit diesem ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) gem. § 84 Abs. 2 SGB IX durchzuführen. Dies ist zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung, allerdings hat die Rechtsprechung die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess ohne Durchführung eines BEM so hoch gesetzt, dass die Erfolgsaussichten für den Arbeitgeber ohne solches sehr gering sind.
Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann auch bei nach dem TVöD unkündbaren Arbeitnehmern eine krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen in Betracht gezogen werden.
Der Autor
Amelie Bernardi
Fachanwältin für Arbeitsrecht