TIPPS UND INFOS
Baumpflege – Dürreschäden vermeiden
Text: Heiner Löchteken | Foto (Header): © Kirill Gorlov – stock.adobe.com
Bäume kommen in unseren Breiten bis zu einem gewissen Grad mit einer Trockenheit zurecht. Doch zukünftig sollte der Baumpflege und insbesondere der Baumbewässerung viel mehr Beachtung gegeben werden.
Auszug aus:
der bauhofLeiter
Ausgabe Dezember 2019
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Das Klima und die Diskussionen zum Klimawandel sind in den Medien stets präsent. Schnell werden Wetterereignisse zu Anzeichen des Klimawandels hochstilisiert und das Klima in 100 Jahren berechnet, aber mit der nächsten Kältewelle am Wochenende spotten andere eben wieder dagegen. Den Verantwortlichen für das Grün in der Stadt hilft dies wenig, da die Gärtner die unmittelbaren Auswirkungen von Klima, Witterung und Wetter spüren. Mit einem hochrangigen Beschluss von Regierungschefs der Welt, dass die Durchschnittstemperatur nicht mehr als 2 °C steigen darf, ist dem Gärtnermeister im Bauhof genauso wenig geholfen, wie durch die Schülerin, die mit einer hochtechnisierten Carbon-Yacht über den Atlantik segelt, um CO² einzusparen.
In diesem Jahrhundert sind bereits früh, besonders in den Jahren 2003 und 2015, hohe Temperaturen verzeichnet worden. Zudem gelten die letzten 5 Jahre als die wärmsten Jahre seit Wetteraufzeichnung. Besonders problematisch ist jedoch das Ausbleiben des Niederschlags. In den letzten 100 Jahren gab es öfter mal trockene Jahre, in denen mehr Wasser aus den Böden entnommen wurde als durch Niederschlag hinzukam (Dürrejahr). In dem jeweiligen Folgejahr konnte dies jedoch zu großen Teilen wieder ausgeglichen werden und die Schäden der Vegetation haben sich in Grenzen gehalten. Die Gegenwart sticht deutlich hervor und 2019 hat nicht nur Hitzerekorde gebrochen, sondern war bislang eher trocken. Für die Vegetation besonders problematisch ging mit 2018 ein Dürrejahr vorweg [1]. Gleich, wie die politischen und gesellschaftlichen Diskussionen in Zukunft geführt werden, müssen sich die Kommunen diesen Problemen stellen.
Wasserversorgung der Bäume
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, den Wasserbedarf und die Wasserversorgung der Bäume zu verstehen. So müssen wichtige Nährelemente aus dem Boden zu den lebenden Zellen, insbesondere zu den Blättern transportiert werden, um dort wichtige Lebensprozesse der Bäume zu ermöglichen. Mindestens ebenso wichtig ist es, dass die Assimilate aus den Blättern an die Stellen im Baum gelangen, an denen die Energie aus der Lichtreaktion benötigt wird. Der gesamte Stofftransport aus der Wurzel in die Blätter und wieder zurück in andere Teile des Baums ist ohne Wasser nicht möglich. Neben dieser Transporteigenschaft dient Wasser auch unmittelbar in der Assimilation als Lösungsmittel und liefert die lebenswichtigen Elemente Wasserstoff und Sauerstoff. Dass das Wasser durch Transpiration kühlt, ist zwar ein angenehmer Effekt für uns Menschen, jedoch in unseren Breiten nur bei einigen Bäumen z. B. mit peridermaler Rinde (z. B. Buchen) und bei Neupflanzungen bei einigen zerstreutporigen Baumarten [2] relevant.
Infiltration unterschiedlicher Böden
Weiter muss für das Gesamtverständnis des Bewässerungsmanagements, der Wasservorrat im Boden entschlüsselt werden [3]. Durch Regen dringt das Wasser in die Bodenschichten ein. Bereits hier sind verschiedene Böden höchst unterschiedlich in der Wasseraufnahme. So kann grobporiger Boden, wie Sandboden, mit großen Hohlräumen zwischen den Bodenteilchen relativ einfach das Wasser aufnehmen. Die schnelle Wasseraufnahme verhindert, dass beispielsweise bei starkem Regen viel Wasser oberflächlich wegfließt.
Anders ist dies bei Lehm- und Tonböden. Die kleineren Bodenteilchen liegen enger aneinander und lassen weniger Hohlräume zu, durch die das Wasser infiltrieren kann. Ein Großteil des Wassers wird bei schneller Wassergabe oberflächlich abgeleitet und dringt nicht in den Boden ein. Eine Wassergabe braucht mehr Zeit, um in den Boden zu gelangen.
Wasserhaltefähigkeit des Bodes
Der Begriff Feldkapazität (pF) beschreibt eine weitere wichtige Eigenschaft des Bodens. Das in den Boden eingedrungene Wasser ist nicht vollständig pflanzenverfügbar. Ein Teil des Wassers sickert ungenutzt in zu tiefe Bodenbereiche. Der andere Teil wird durch die Adhäsion der Bodenteilchen gehalten. Die Oberfläche der Bodenpartikel binden das sog. Adsorptionswasser teilweise so stark, dass die Saugspannung der Pflanzen dieses Wasser nicht zu lösen vermag.
- Sehr feine Böden, wie Tonböden, sind imstande, viel Wasser zu halten, welches aber nicht unbedingt pflanzenverfügbar ist.
- An Sandböden haftet dagegen nur wenig Adsorptionswasser, jedoch bleibt das Wasser insgesamt sehr beweglich und kann nicht in den durchwurzelten Bodenzonen gehalten werden.
- Mittlere Bodenkörnungen, wie sandiger Lehm oder Lehm, sind aus Sicht der Wasserverfügbarkeit und Wasserhaltefähigkeit gut, da Wasser einigermaßen schnell infiltriert, sich danach aber nur langsam bewegt oder in den Poren entgegen der Schwerkraft gehalten wird.
Grundwasser
Das Grundwasser ist in den meisten städtischen Gegenden eher zu tief und unerreichbar für Baumwurzeln. Weiter bilden Bäume in Bereichen mit hohem Grundwasserspiegel eher flache Wurzeln aus, während Bäume in tiefgründigen Böden besser einwurzeln. Nutzbar ist der Kapillarsaum oberhalb des Grundwassers. Grundwassersenkungen durch lange Dürreperioden sind für Bäume bei sehr geringen Grundwasserflurabständen relevant. Ein möglicher Effekt ist sehr komplex und kann in dieser Ausarbeitung nicht weiter thematisiert werden.
Wenn ein Grundwassereinfluss vorhanden ist, muss i. d. R. nur bewässert werden, wenn der Grundwasserspiegel tatsächlich sinkt.
Wassertransport im Baum und Dürreerscheinungen
Alle Funktionen im Wasserkreislauf der Bäume sind bis heute nicht geklärt. So ist es nach wie vor spannend, wie 120 m hohe Bäume ausreichend Wasser durch das Xylem – den Leitbündeln – bis in die Kronenspitze transportieren können, wenn der Transpirationssog theoretisch bei rund 10 m Wassersäule ein Vakuum ausbilden müsste. Im Frühjahr wird das verfügbare Bodenwasser von den Feinstwurzeln aufgenommen und durch den Konzentrationsausgleich des Salzgehalts durch die semipermeablen Membranen regelrecht in den Baum hineingepumpt. Diese effektive Wasserpumpe wird Osmose genannt [4].
Die Kohäsionskräfte und Adhäsionskräfte unterstützen den Wassertransport, sodass beachtliche Mengen vollkommen ohne die Kraft der Blätter in die Krone gelangen können. Es entfalten sich die Blätter aus den Knospen und Wasser verdunstet durch die Spaltöffnungen. So wird der sog. Transpirationssog aufgebaut, der, je nach Baumart, im Wald 80 bis 140 l am Tag durch den Baum pumpt. Bei gleicher Blattfläche kann die Transpiration einzelnstehender Bäume deutlich größer sein [5].
Diese Mengen machen deutlich, dass Bäume ein Regulierungssystem nutzen, um nicht bei jeder kurzen Trockenheit zu dehydrieren. Neben baumartspezifischen Methoden regeln die Bäume die Verdunstung durch das Verschließen und Öffnen der Spaltöffnungen, um den Wasserverbrauch an die Wasserverfügbarkeit anzupassen. Bei Wassermangel können einige Arten die Blätter einrollen, damit der Wind nicht zusätzlich die Transpiration unterstützt. Bis dahin ist die Wasserknappheit für eine gewisse Zeit unkritisch. Wenn die Trockenheit anhält und das Wasserpotential im Xylem sinkt, dann droht der Verlust der hydraulischen Leitfähigkeit durch Embolien [5] [6].
Auswirkung der Trockenheit
Einige Baumarten, wie z. B. Eichen, zeigen dann Zweigabsprünge [7]. An Buchen und anderen Baumarten welken die Blätter und werden braun. In besonders starken Dürren wird die Baumaktivität derart herabgesetzt, dass dieser kein Trenngewebe mehr ausbilden kann. Leicht erkennbar verbleiben die trockenen Blätter danach weit über die Vegetationsphase am Zweig. Sofern die Knospe keinen Schaden genommen hat, vermögen einige Baumarten noch im selben Jahr oder spätestens in der folgenden Vegetationsperiode wieder auszutreiben, sofern sich die Wasserverfügbarkeit verbessert hat.
Diese Erkenntnis zeigt, dass die Bäume in unseren Breiten bis zu einem gewissen Grad mit einer Trockenheit zurechtkommen. Sogar längere Dürrejahre können von einigen Arten überstanden werden, indem im Folgejahr kleinere Blätter gebildet werden [6]. Eine geringere Verdunstungsrate verhindert, dass sämtliche Lebensprozesse verlangsamt werden. So werden beispielsweise der Dicken- und Längenzuwachs vermindert und schlechter leitende Kurztriebe verstärken den Trockenstress in darauffolgenden Dürrejahren [8].
Die Sterblichkeit der Bäume ist im Laufe dieser Wiederholungen besonders hoch. Neben den Wachstumsprozessen stagnieren im Baum auch andere Lebensprozesse. Gesunde und vitale Bäume setzen sich aktiv gegen Pathogene zur Wehr. Eine Fichte mit ausreichend Wasser ertränkt normalerweise hunderte Borkenkäfer [3] und manche Bäume produzieren Gerbsäure oder andere Abwehrstoffe gegen Parasiten. Durch die Schwächung einer Trockenheit sind die Bäume prädisponiert und anfällig gegen Sekundärschädlinge [9]. Diese schwächen den Baum weiter und in einer Spirale nimmt die Vitalität immer weiter ab.
Krautige Pflanzen wie Stauden und Blumen welken sofort, wenn die Trockenheit einsetzt. Durch die temporäre Resistenz gegen eine kurzzeitige Trockenheit hatte der Baum evolutionäre Vorteile gegenüber krautigen Pflanzen, wenn er das im Stamm vorhandene Wasser noch eine Zeit nutzen konnte. Der Baum kann außerdem und zweifelsohne ein Vielfaches mehr an Wasser aus dem Boden entnehmen. Aber genau diese Eigenschaften scheinen den Bäumen um urbanen Raum zum Verhängnis zu werden, wenn der anthropogene Standort unsere Unterstützung erfordert. Bei Bäumen wird die Trockenheit oft spät erkannt. Zu fest sitzt die irrige Meinung, dass die großen Bäume ja so tief wurzeln, dass diese schon irgendwie an Wasser gelangen.
Konsequenzen für die Baumkontrolle
Die baumbiologischen Konsequenzen zu verstehen sind wichtig, um die richtigen Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Eine anhaltende Trockenheit oder Dürre muss aber auch direkt in der Baumkontrolle und im täglichen Baummanagement begegnet werden. Zu schnell lassen Verantwortliche nach vergebenen Pflegeaufträgen deren Kontrolle außer Acht. Gleich, ob es sich um Neupflanzungen und Jungbäume handelt, wenn die Fertigstellungspflege noch Vertragsbestandteil ist, oder ob es sich um die Wässerung von Altbaumbeständen handelt. Am Ende fällt der Fehler immer auf den Baumeigentümer zurück.
Jungbäume
Bereits bei relativ kurzen Trockenperioden werden neu gepflanzte Bäume betroffen sein, wenn diese keine zusätzlichen Wassergaben erhalten. Reißt der Transpirationssog einmal ab und kommt es zu einer Embolie, dann sind neu gepflanzte Bäume schnell am Ende. Bereits nach wenigen Wochen erkennt der Fachmann nach vorsichtigem Anritzen der Rinde, dass das Kambium tot ist und sollte den Baum sofort entfernen lassen.
Im Verhältnis zur Neupflanzung sind die Wässerungskosten sehr gering. Die Baumkontrolle sollte derartige neue Standorte unbedingt sofort und regelmäßig befahren, um Schäden rechtzeitig vorzubeugen. Insbesondere bei Pflegeverträgen ist das sofortige Absterben aber sogar die bessere Alternative, denn das Schadensrisiko liegt i. d. R. noch bei der ausführenden Firma. Im ungünstigeren Fall hat der Baum eine Dürre ohne ausreichende Wässerung überstanden. Der Pflegevertrag läuft aus und die Abnahme ist erfolgt. Wenn durch die o. g. Prädisposition des Baums nun Sekundärschädlinge folgen und der Baum nimmt großen Schaden, oder geht aufgrund dessen ein, dann kann der eigentliche Verursacher wegen der zeitlichen Distanz kaum haftbar gemacht werden.
Die Baumkontrolle sollte besonders in Zeiten anhaltender Trockenheit die Jungbäume – Notfalls als Grünflächenbestand – beobachten und Missstände dokumentieren.
Bestandsbäume
Bäume in der Reife- oder Alterungsphase überstehen kurzzeitige Trockenheit wegen der oben beschriebenen Schutzmechanismen oft gut. Dennoch ist gerade bei langanhaltenden Dürren eine höhere Aufmerksamkeit der Baumkontrolle geboten.
Primär müssen jegliche Dürreanzeichen wahrgenommen und für folgende Baumkontrollen erkennbar dokumentiert werden. Die baumbiologischen Folgen einer Trockenheit und die Prädisposition würden andernfalls zukünftig unberücksichtigt bleiben, was zu Fehlinterpretationen führen kann. Die mangelnde Vitalität einer Buche kann von einer Dürre in den Vorjahren, aber auch von einem Riesenporling herrühren. Die Maßnahmenempfehlungen sind grundsätzlich andere. Mit dem Wissen einer vorausgegangenen Dürre wird der Baumkontrolleur insbesondere bei starkem Totholz den Kontrollintervall temporär herabsetzen, da er mit weiterer schneller Totholzbildung rechnet.
Daneben ist die Dokumentation einer erkennbaren Trockenheit oder Welke für die spätere Analyse und die Prognose einer Prädisposition wichtig. Das Wissen um den Verlauf einer Erkrankung kann die Zukunftsaussicht entscheidend verändern. Besonders, wenn es um Komplexerkrankungen diverser Baumarten geht, sollte frühzeitig sachverständige Hilfe hinzugezogen werden.
Eine Buche mit einem lokal eingegrenzten Sonnenbrand am Stamm und Schizophyllum kann diese Kambiumnekrose eng abschotten. Wenn sich – kaum sichtbar – am Wundrand unter dem rissigen nekrotischen Periderm ein Kallus bildet, kann die Prognose durchaus sehr positiv sein. Dies sieht völlig anders aus, wenn im Zusammenhang mit einer anhaltenden Trockenheit die Zweigvitalität eher schlecht war. Hier müssen weitere Pathogene – wie z. B. Nectria, Neonectria und Sekundärschädlinge, wie Kleiner Buchenborkenkäfer, Buchenprachtkäfer u. a. – im Fokus stehen, da diese durch die Totholzbildung unmittelbar relevant für die Verkehrssicherheit werden.
Problem: Grünastbruch
Ein pikantes Problem ist der Grünastbruch. Es handelt sich um einen vorher nicht erkennbaren und damit nicht vorhersehbaren Bruch von Grob- und Starkästen. Die Entstehung um einen Grünastbruch ist nicht geklärt [10]. Es gibt Theorien, die die direkte Wasserspannung innerhalb der Xylem-Zellen als statisches Element verstehen, andere gehen von einem sehr schnellen lokalen Holzabbau durch Pathogene aus, der aufgrund von Trockenheit und Wärme begünstigt wird. Neben weiteren Modellen vermuten heute wahrscheinlich die meisten Wissenschaftler, dass dem Grünastbruch eine Reduzierung der Vorspannung der äußeren Randfaser vorausgeht. Diese Vorspannung besteht demnach, wenn sich diese Zellen durch einen hohen Turgordruck verdicken. Durch die Stauchung dickerer Zellen und die damit verbundene Kürzung der längst angeordneten Parenchymzellen entsteht diese Vorspannung, die bei schlankeren und dann längeren Zellen entspannt (vgl. Spielzeug „Drückfeder-Figur“: Der Faden im Innern streckt die Klötze im gespannten Zustand und die Figur fällt zusammen bei Entspannung.). Diese Theorie erklärt, warum Grünastbrüche vor allem Ende Juli bis August bei trockener und warmer Witterung beobachtet werden.
Unechte Grünastbrüche haben bereits vorher statische Sollbruchstellen, die es streng zu beobachten gilt. Dies können
- ehemalige Astungsschnitte,
- Sonnenbrände,
- Kambiumnekrosen,
- Risse oder
- Fäulen sein, die den Ast bereits schwächen.
Je nach Ast und Defekt könnte es in Dürrezeiten dadurch bereits früher ratsam sein, eine Entlastung des Asts vorzunehmen, oder den Ast zu sichern.
Im Schadensfall handelt es sich eben nicht um einen juristisch unvorhersehbaren Grünastbruch. Besonders wichtiger ist es, dass jegliche direkte Anzeichen und Auffälligkeiten wahrgenommen werden, die in Zusammenhang eines bevorstehenden Bruches stehen könnten. Im Zweifel sollte frühzeitig sachverständige Hilfe hinzugezogen werden.
Bewässerungsmanagement
Die Probleme durch Trockenheit, Dürre und andere Klimabesonderheiten sind weitreichend. Dazu gibt es keine verlässlichen Prognosen für die jeweils folgenden Jahre. Baumverantwortliche, die genau diesen Weitblick bräuchten, könnten resignieren und den Baumbestand sich selbst überlassen. Dies wäre praktisch eine evolutionäre Säuberung unangepasster Arten und könnte ganz darwinistisch als natürlicher Prozess verkauft werden. Mit dem Wissen, dass v. a. menschenbeeinflusste Standorte die größten Probleme haben, kippt diese Darstellung. Ganz gleich, welches Modell man bevorzugt, ob man jeden alten Baum mit erheblichen Mitteln zu erhalten versucht, oder in seiner Stadt eher keine Problembäume haben möchte und vorzeitig fällt. Der Baumerhalt von Bäumen in der Jugend- und Reifephase ist ökonomisch immer ratsam.
Wässern, was das Zeug hält?
Nach anhaltender Trockenheit beobachtet man regelmäßig das „Viel hilft viel“. Nach wochenlanger Dürre ist das Thema medienpräsent und es wird aus allen Rohren gewässert. Im Jahr 2018 wurden Wasserwerfer der Polizei beobachtet, die mit Hochdruck sehr viel Wasser an die Baumstämme spritzten. Das Kopfschütteln der Fachleute ist an dieser Stelle angebracht, denn wer um die Wasseraufnahme- und Wasserhaltefähigkeit des Bodens weiß, wird den ressourcenfressenden, blinden Aktionismus erkennen. Man könnte den dahinterstehenden Willen noch gutheißen, aber leider kommt es natürlich zu großem Oberflächenabfluss und damit zu schadhafter Bodenerosion [11].
In der Situation ist es gut, wenn ein Bewässerungskonzept vorliegt und Hilfsbereitschaft der Bevölkerung und anderer Organisationen zielgenau eingesetzt werden kann. Die geplante Bewässerung kann nicht erst entwickelt werden, wenn der Bedarf akut ist, sondern will von langer Hand vorbereitet sein. Wer sich in den Herbst- und Wintermonaten mit der Thematik beschäftigt, kann die eigentliche Dürre in einem späteren Jahr relativ entspannt angehen und sein Konzept optimieren und anpassen – aber ohne die Angst im Nacken, dass noch Jahre danach große Ausfälle folgen.
Beispielhaft stellt Fischer im Rahmen der FLL-Verkehrssicherheitstage 2019 ein systematisches Bewässerungskonzept vor, das nachfolgend beschrieben werden soll [11].
Bewässerungskonzept (nach Fischer)
1. Hitzeschäden vermeiden
Besonders die Neupflanzungen und freigestellte Altbäume sind durch direkte Hitze gefährdet. Bei Buchen sind danach typische Pathogene wie Spaltblättlinge und andere zu erwarten [12]. In Untersuchungen zeigten besonders zerstreutporige Bäume Probleme durch Hitze [2]. Neben der fachgerechten Pflanzung, in der z. B. die Exposition der Baumschulpflanzen berücksichtigt wird, können Schutzanstriche große Schäden vermeiden. Bei alten und freigestellten Buchen darf der Stamm dabei nicht vergessen werden, da Sonnenbrandschäden hier besonders gravierende Folgen haben.
2. Bodeneigenschaften und Wasserhaushalt feststellen
Ohne fundierte Kenntnis der Bodeneigenschaften ist eine fachgerechte Bewässerung nicht möglich. Für JEDEN Baumstandort – ggf. gesammelt als Grünfläche – sind diese Eigenschaften zu ermitteln. Dazu gehört v. a. die Wasserhalte- und Wasserleitfähigkeit des Bodens, aus der die Infiltrationsrate und damit die Gießgeschwindigkeit ermittelt wird. Der Sandboden kann z. B. sehr schnell große Mengen Wasser aufnehmen, die aber an der Wurzel vorbei in unerreichbare Bodentiefen durchsickern. Dagegen braucht der Tonboden sehr lange, um größere Mengen aufzunehmen, die aber lange im Boden gehalten werden.
Die für die Bewässerung relevanten Bodeneigenschaften sollten ausgebildete Gärtnermeister mit einfachen Mitteln (z. B. Pürckhauer-System) feststellen können, da dies zum typischen Handwerkszeug eines Gärtners gehört. Von Fischer vorgeschlagene Expertenanalysen sind vielleicht genauer, aber in vielen kommunalen Etats schwer darstellbar und praxisfern.
In verschiedenen bodengeologischen Karten sind des Weiteren der Grundwasserspiegel und die typischen Niederschläge an dem Standort ermittelbar. Vor Ort sind Bodengruppe, geschätzte Durchwurzelungsbereiche (Wurzelraum) und ggf. andere Informationen zum Wasserhaushalt (z. B. „sehr kleine Baumscheibe“ oder „alternative Wasserquelle erschlossen“) erforderlich.
Die Informationen der Boden- und Standorteigenschaften in Bezug auf die Bewässerung sollten von vernünftigen Baumkatastern ohne Probleme dokumentierbar und auswertbar sein.
3. Modellstandorte
Das Wissen um jeden einzelnen Baumstandort macht die gezielte und geplante Bewässerung aus. Es ist aber nicht praktikabel, jeden Baum tatsächlich individuell zu überwachen und einzeln zu bewässern. Wenn die Daten der vorhandenen Baumstandorte vorliegen, können verschiedene Modellstandorte entwickelt werden, die so oder so ähnlich an den Einzelbäumen vorliegen. Wenn diese Modellstandorte mit entsprechender Sensorik ausgestattet werden, die den tatsächlichen Bedarf abbilden, kann daraus auf die vergleichbaren Standorte geschlossen werden. Die Bewässerung orientiert sich dann an ebendiesen Modellstandorten in Verbindung mit dem Baumbedarf.
Natürlich werden Kritiker nun die Kosten und den Vandalismus nennen. Durch Funk- und Solartechnik lassen sich die Geräte nahezu unsichtbar am Baum anbringen, die kostenintensiven Elemente sind für Vandalismus unerreichbar in der Krone und können von dort aus sehr gut an Funknetze anknüpfen. Die Geräte- und Wartungskosten werden – genaue Daten liegen nicht vor – deutlich unter den fehlgeleiteten und unnützen Personal- und Wasserkosten bei spontanem Aktionismus liegen. Eine einzelne Aktion mit Feuerwehr und Polizei-Wasserwerfern wird kostenaufwendiger sein, als alle notwendigen Schritte des gezielten Bewässerungsmanagements zusammen.
4. Bewässerungstechnik
Bereits lange vor der eigentlichen Bewässerung muss die praktikable Technik zur Umsetzung der Bewässerung geklärt sein. Die Technik ist der jeweiligen Situation anzupassen.
- So können einige Standorte einfach per Bewässerungsfahrzeug versorgt werden, weil der Boden ausreichend aufnahmefähig ist und die örtliche Kronentraufe oder Baumscheibe das oberflächliche Abfließen verhindert.
- An Extremstandorten können Bewässerungssäcke helfen.
- In der Praxis haben sich des Weiteren IBC-Container bewährt, die vor einer erwarteten Warmwetterperiode neben den Baumstandorten aufgestellt werden und z. B. per Tröpfchenbewässerung sehr langsam eine sehr große Wassermenge auch an Extremstandorten in den Boden abgeben [13].
Aufwendige Automatik, Bewässerungscomputer und Ventilsteuerungen bewähren sich im öffentlichen Raum selten.
Ressourcen vorhalten
Im Winter ist es gang und gäbe, dass Fahrzeuge der Bauhöfe und Stadtgärtnereinen umgerüstet werden und ständig für den eintretenden Winter gerüstet sind. Die Frage muss gestattet sein, warum dies in den Sommermonaten mit anderem Ziel nicht auch möglich ist. Hier gibt es ebenfalls eine „heiße“ Zeit, die ohne Frage große Ressourcen benötigt. Die Um- und Aufrüstung diverser Fahrzeuge sind zentral zu steuern und abzurufen.
5. Standorte verbessern
Durch Belüftung und teilweise durch Bepflanzung lassen sich Extremstandorte verbessern. Dieser Schritt hilft der Bewässerung, soll wegen des Umfangs hier aber nicht weiter betrachtet werden. Der Expertenrat sollte an dieser Stelle gesucht werden.
6. Neupflanzungen und Grün-Planung
Der alte Baumstandort wird durch einen neuen Baum der gleichen Sorte wieder aufgefüllt und fertig. Mit dieser durchaus nachvollziehbaren Vorgehensweise bekommt man viele Probleme nicht in den Griff. Zum einen sind dann gängige und begründete Pflanzrichtlinien nicht umsetzbar. Der entfernte Baum – soweit er sich überhaupt an dem Standort etablieren konnte – hatte es vielleicht durch lange Wurzeln über Jahrzehnte geschafft, entfernte Grünflächen zu erschließen. Vielleicht ist der Baum sogar eingegangen, weil ebendiese Transportwurzel im Zuge einer Leitungsverlegung gekappt worden ist. Nicht selten beobachtet man eine abgestorbene Neupflanzung, die einfach, zweifach oder sogar mehrfach ohne Erfolg ersetzt wurde. Kritikern der hohen Kosten für die fachgerechte Neupflanzung muss man die Kosten der falschen oder mehrfachen Pflanzung, Unterhaltung und Spätfolgen entgegenstellen.
Neben ausreichendem Wurzelraum und vernünftigen Substraten ist die Pflanzenwahl unbedingt zu prüfen. Städteplanerisch werden grobe Fehler nun sichtbar. Beispielsweise sieht man ganze Stadtteile mit Carpinus betulus „Frans Fontaine, „Fastigiata“ oder „Columnaris“, weil sich Bürger über „zu große“ Bäume geärgert haben. Zu schnell und zu einfach wurde in die Stichwortsuche „kleinkronig“ und „schmal“ eingegeben und ruck zuck werden die o. g. Bäume einer Sorte gepflanzt. Abgesehen davon, dass die „Stadtplaner“ diese Bäume gar nicht kannten – denn die Kronen entwickeln sich genau dort, wo Fahrradfahrer und LKW sich aufhalten – überschätzten sie die Stadtklima-Resistenz.
Hainbuchen gaben in den Jahren 2018 und 2019 kein gutes Bild und die Ausfallrate war hoch [9]. Dazu kommt möglicherweise der Ausfall aufgrund Prädisposition, denn ein Schädling findet viele Individuen einer Sorte und kann lustig von einem Baum zum nächsten wandern.
Gut beraten sind die, die wirkliche Fachleute hinzuziehen. Die Hainbuche ist ein sehr guter Baum, wenn die Standortbedingungen es zulassen und an anderen Standorten sind andere Bäume besser. Die Vielseitigkeit innerhalb eines Stadtteils kann vor enormen Ausfällen schützen und wenn eine Sorte mal nicht funktioniert, dann bleibt der Schaden gering.
In dem Zusammenhang muss den Genotypen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die letzten Jahre haben verdeutlicht, dass Bäume aus trockenen Gegenden mit diesen Witterungsbesonderheiten deutlich besser klarkamen als die Bäume, die in Baumschulen mit günstigen Wachstumsbedingungen angezogen wurden. [3]
Fazit
Der Baumpflege und insbesondere der Baumbewässerung muss zukünftig viel mehr Beachtung gegeben werden, da die Baumstandorte innerhalb einer Kommune höchst heterogen sind. Blinder Aktionismus kostet viel Geld und Ressourcen, bringt nichts, kommt i. d. R. zu spät und kann sogar Schaden anrichten. Ein ordentlich erarbeitetes und fundiertes Bewässerungskonzept mit ausreichenden Ressourcen, die bereits frühzeitig VOR Beginn einer Trockenperiode zur Verfügung gestellt werden, dürfte stets wirtschaftlich sein. Die Kenntnis der Baumstandorte ist dazu erforderlich.
Literatur
[1] Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ, „Dürremonitor Deutschland,“ 06 02 2017. [Online]. Available: https://www.ufz.de/ index.php?de=37937. [Zugriff am 08 11 2019].
[2] P. Uehre und S. Herrmann, „Jahrbuch der Baumpflege,“ in Untersuchungen zur Trocken- und Hitzetoleranz von Bäumen im Klimawandel, Braunschweig, 2017.
[3] G. Fischer, „X. Essener Baumtag 2019,“ in Bewässerungsmanagement für Stadtbäume, Essen, 2019.
[4] U. Lüttge, M. Kluge und G. Bauer, Botanik, Weinheim: Wiley-VCH Verlag, 2005, p. 651.
[5] S. Rust, „Jahrbuch der Baumpflege 2010,“ in Stadtbäume – Überleben trotz häufiger Trockenphasen, Braunschweig, 2010.
[6] A. Roloff, S. Bonn, C. -T. Bues, D. Krabel, U. Pietzarka, S. Rust, M. Stetzka und H. Weiß, Baumpflege – Baumbiologische Grundlagen und Anwendung, A. Roloff, Hrsg., 70599 Stuttgart: Eugen Ulmer KG, 2008, p. 172.
[7] D. Dujesiefken, Baumkontrolle unter Berücksichtigung der Baumart, Bd. 1, F. f. S. u. Erholung, Hrsg., 38133 Braunschweig: Haymarket Media GmbH & Co. KG, 2011.
[8] S. Rust und R. Hüttl, „The effect of shoot architecture on hydraulic conductance in beech (Fagus sylvatica L.),“ in Trees, Bd. 14, Springer-Verlag, 1999, pp. 39-42.
[9] R. Kehr, „X. Essener Baumtag,“ in Auswirkungen des Hitzesommers 2018 am Beispiel einiger Baumerkrankungen, Essen, 2019.
[10] P. Funck, per. com., Schwalmstadt, 2019.
[11] G. Fischer, „FLL-Verkehrssicherheitstage 2019 Bäume und Spielgeräte/Spielräume im Fokus der Verkehrssicherheit,“ in Bedeutung von Trockenheitsschäden für die Verkehrssicherheit – Vermeidung durch Bewässerung, Bonn, 2019.
[12] H. Butin, Krankheiten der Wald- und Parkbäume, Bd. 4, Stuttgart: Eugen Ulmer KG, 2011, p. 318.
[13] O. Bühler und P. Kristoffersen, „Jahrbuch der Baumpflege 2011,“ in Wasserversorgung von Straßenbäumen in Dänemark, Braunschweig, 2011.
[14] A. Roloff, Bäume Lexikon der praktischen Baumbiologie, Weinheim: Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 2010, p. 207.
[15] A. Roloff, Handbuch Baumdiagnostik – Baum-Körpersprache und Baum-Beurteilung, 70599 Stuttgart: Eugen Ulmer KG, 2015, p. 206.
[16] H. Leser und K. Conradin, Stadtökologie in Stichworten, Bd. 2, Stuttgart: Gebrüder Borntraeger Verlagsbuchhandlung, 2008.
[17] P. Schütt, H. J. Schuck, G. Aas, U. M. Lang, A. Roloff und Weisgerber, Enzyklopädie der Holzgewächse, P. Schütt, H. J. Schuck, G. Aas und U. M. Lang, Hrsg., Landsberg am Lech: ecomend verlagsgesellschaft AG & Co.KG, 1994.
Der Autor
Heiner Löchteken ö.b.v. Sachverständiger für Baumpflege, Verkehrssicherheit von Bäumen und Baumwertermittlung